Unified Patent Court

Lokalkammer München

Einheitliches Patentgericht

Juridiction unifiee du brevet

Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts

in dem Hauptsacheverfahren UPC_CFI_9/2023 betreffend das Europäische Patent 3 611 989

ACT_459771/2023

App_587438/2023 (Regel 263 VerfO)

erlassen am 11/12/2023

Leitsätze:

Zur Zulässigkeit der Erweiterung der Klage um Ansprüche aus einem weiteren Klagepatent nach Abschluss eines Beschränkungsverfahrens.

Keywords:

Klageerweiterung; weiteres Klagepatent; Beschränkungsverfahren; Möglichkeit der Abtrennung

Antragstellerin

  1. Huawei Technologies Co. Ltd

vertreten durch (Klägerin des Hauptverfahrens) - Bantian

Tobias J. Hessel

Huawei Base Longgang District Shenzhen - 518129 - Shenzhen - CN

Antragsgegner

  1. NETGEAR Deutschland GmbH

vertreten durch (Beklagte des Hauptverfahrens) - Konrad-Zuse-

Platz 1 - 81829 - München - DE

Stephan Dorn

  1. Netgear Inc.

vertreten durch (Beklagte des Hauptverfahrens) - 350 E

Plumeria Dr - 95134 - San Jose - US

Stephan Dorn

  1. Netgear International Limited

vertreten durch Stephan (Beklagte des Hauptverfahrens) - First Floor

Building 3, University Technology Centre,

Curraheen Road - T12K516 - Cork - IE

Klagepatente

Patent Nr.Inhaberin
EP3611989Huawei Technologies Co. Ltd

ZUSAMMENSETZUNG DES SPRUCHSKÖRPERS

Vorsitzender Richter und Berichterstatter: Matthias Zigann

rechtlich qualifizierter Richter: Tobias Pichlmaier

rechtlich qualifizierter Richter: Edger Brinkman

Diese Anordnung wurde vom Vorsitzenden Richter und Berichterstatter Matthias Zigann erlassen.

VERFAHRENSSPRACHE

Deutsch

GEGENSTAND DES VERFAHRENS

Patentverletzung

hier: Antrag nach Regel 263 VerfO auf Zulassung der Erweiterung der Klage um Ansprüche aus dem Europäischen Patent 3 678 321.

ANTRÄGE

Die Antragstellerin (Klägerin im Hauptsacheverfahren) beantragt,

die anhängige Klage gemäß Regel 263 (1) ROP um die nachfolgend spezifizierten Anträge basierend auf dem weiteren Klagepatent EP 3 678 321 zu erweitern.

Die Antragsgegner (Beklagte im Hauptsacheverfahren) beantragen,

den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Klageerweiterung vom 23. November 2023 zurückzuweisen.

SACHVERHALT

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Europäischen Patente 3 611 989 und 3 678 321 in Anspruch. Sie erhob zunächst am 01.06.2023 Klage gestützt allein auf das Europäische Patent 3 611 989. Mit Schriftsatz vom 23.11.2023 beantragte sie die Zulassung der Erweiterung der Klage auf Ansprüche aus dem Europäischen Patent 3 678 321.

Die Klägerin trägt vor, dass sie wegen eines Beschränkungsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt betreffend das Europäische Patent 3 611 989, das im Zeitraum 13.04.2023 bis 20.10.2023 stattgefunden habe, gehindert gewesen sei, Ansprüche gestützt auf dieses Patent bereits mit der Klage vom 01.06.2023 geltend zu machen. Die Klageerweiterung richte sich gegen dieselben Verletzungshandlungen rund um die WiFi6-Funktionalität der Verletzungsformen. Die Erweiterung sei daher prozessökonomisch. Die Beklagten würden durch die Zulassung nicht unangemessen benachteiligt.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass das Vorliegen der Voraussetzungen der Regel 263 VerfO bereits nicht hinreichend dargetan sei. Im Beschränkungsverfahren seien lediglich die Merkmale des Unteranspruchs 6 (bezogen auf den Verfahrensanspruch) bzw. des identischen

Unteranspruchs 14 (bezogen auf den Vorrichtungsanspruch) in die ursprünglichen Hauptansprüche 1, 2, 9 und 10 mit aufgenommen worden. Diese Ansprüche seien nunmehr die neuen Ansprüche 1 bis 4 der B3 Schrift des EP 321. Alle anderen Ansprüche seien gestrichen worden. Neue Merkmale seien den Ansprüchen hingegen nicht hinzugefügt worden. Mithin hätte die Klägerin die nun beschränkte Fassung bereits am 01.06.2023 zum Gegenstand einer Klage machen können. Es sei ihr ohne weiteres möglich gewesen, den Verletzungsvorwurf auf die ursprünglichen Hauptansprüche und ursprünglichen Unteransprüche 6 und 14 des EP 321 zu stützen. Auch eine nachträgliche Beschränkung der geltend gemachten Ansprüche, um diese dem Ausgang des vor dem Europäischen Patentamts anhängigen Beschränkungsverfahrens anzupassen, wäre ihr nach Regel 263.3 VerfO ohne weiteres möglich gewesen. Der Klägerin gehe es mit dem gestellten Antrag einzig und allein darum, die erneute Zustellung einer Klageschrift an die Beklagten zu vermeiden. Darüber hinaus würden die Beklagten durch die Klageerweiterung unangemessen in ihrer Verfahrensführung behindert.

GRÜNDE

Der Antrag auf Zulassung der Klageänderung ist zulässig und begründet.

Nach Regel 263.1 VerfO kann eine Partei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens beim Gericht die Zulassung einer Klageänderung oder Klageerweiterung, einschließlich einer Widerklage, beantragen. In dem Antrag ist zu begründen, weshalb die Änderung oder Ergänzung nicht schon in dem ursprünglichen Schriftsatz enthalten war. Vorbehaltlich des Absatzes 3 wird die Zulassung abgelehnt, wenn die Partei, welche die Änderung beantragt, unter Berücksichtigung aller Umstände das Gericht nicht davon überzeugen kann, dass (a) die in Rede stehende Änderung bei gebotener Sorgfalt nicht früher vorgenommen werden konnte und (b) die Änderung die andere Partei in ihrer Verfahrensführung nicht unangemessen behindert.

Der Antrag wurde zulässig gestellt. Die Antragstellerin hat zu allen Tatbestandsmerkmalen vorgetragen.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der Zulassung liegen nicht vor.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die in Rede stehende Änderung bei gebotener Sorgfalt nicht früher vorgenommen werden konnte. Das Beschränkungsverfahren lief bis zum 20.10.2023. Der Antrag auf Klageänderung stammt vom 23.11.2023. Der zeitliche Verzug ist durch die Notwendigkeit der anwaltlichen Aufbereitung erklärbar. Ein sorgfältiger Kläger war auch nicht gehalten, während des laufenden Beschränkungsverfahrens bereits Klage einzureichen. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Gerichte mancher EPÜ-Staaten die Geltendmachung eines beschränkten Patentanspruchs vor Abschluss eines Beschränkungsverfahrens nicht zulassen und noch zu klären sein wird, wie es sich beim Einheitlichen Patengerichts verhält, wäre die Klägerin im Falle eines solchen Vorgehens je nach Ausgang des Beschränkungsverfahrens gezwungen gewesen, im Wege der Klageänderung die Klage an die Geschehnisse im Beschränkungsverfahren anzupassen. Die Notwendigkeit der einen Klageänderung würde demnach durch die Notwendigkeit einer anderen Klageänderung ersetzt. Die Ablehnung der Zulassung brächte daher keinerlei Gewinn für die Verfahrensökonomie.

Das Gericht ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Änderung die andere Partei in ihrer Verfahrensführung nicht unangemessen behindert. Ein gewisses Maß an Behinderung steht der Zulassung bereits nach dem Gesetz nicht entgegen. Darüber hinaus ist das Gericht im Falle der gemeinsamen Führung beider Patente innerhalb desselben Verletzungsverfahrens verpflichtet, der Beklagten in Bezug auf das zweite Patent weitgehend dieselben Verteidigungsmöglichkeiten.

einzuräumen, wie im Falle einer neuen, weiteren Klage. Dies kann durch Einräumung bzw. Verlängerung von Stellungnahmefristen geschehen. Im Falle der Abtrennung des Gegenstandes der Klageerweiterung würde dies sogar noch vereinfacht.

Die Parteien werden zu der Frage, ob der Gegenstand der Klageerweiterung abgetrennt werden kann oder soll, in einem gesonderten Workflow angehört werden.

ANORDNUNG

  1. Dem Antrag der Antragstellerin (Klägerin des Hauptsacheverfahrens) vom 23.11.2023 auf Zulassung der Erweiterung der Klage gemäß Regel 263.1 VerfO um die im Schriftsatz vom 23.11.2023 spezifizierten Anträge basierend auf dem weiteren Klagepatent EP 3 678 321 wird stattgegeben.
  2. Der Streitwert wird nach Klageerweiterung auf insgesamt 2 Mio. € festgesetzt, davon entfallen auf den Gegenstand der Klageerweiterung 1 Mio. €.

ANWEISUNGEN AN DIE PARTEIEN UND DAS REGISTER

Im Hinblick auf die Erhöhung des Streitwerts sind weitere Gerichtsgebühren zu vereinnahmen. Diese sind im Falle der Abtrennung des Gegenstandes der Klageerweiterung dem neu gebildeten Verfahren zuzuschreiben. Es wird daher angeregt, mit der Gebührenerhebung zuzuwarten. Die Parteien werden Gelegenheit erhalten, innerhalb von 14 Tagen zur Frage der Abtrennung Stellung zu nehmen.

Dr. Zigann

Vorsitzender Richter und Berichterstatter

Digital unterschrieben von Matthias

Matthias ZIGANN Datum: 2023.12.11 14:26:17 +01’00’ZIGANN

DETAILS DER ANORDNUNG

ACTION NUMBER:ACT_459771/2023
UPC number:UPC_CFI_9/2023
Action type:Infringement Action
Related proceeding no. Application No.:587438/2023
Application Type:APPLICATION_ROP_265

INFORMATION ÜBER DIE BERUFUNG

Diese verfahrensleitende Anordnung kann auf begründeten Antrag einer Partei vom Spruchkörper überprüft werden (Regel 333 VerfO). Der Antrag ist innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung einzureichen.