Unified Patent Court

Einheitliches Patentgericht

Juridiction unifiee du brevet

Lokalkammer Hamburg

Entscheidung

des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts

Lokalkammer Hamburg

erlassen am 17. November 2023

UPC_CFI_559935/2023

Eingangsdatum der Klage: 08.08.2023

Leitsatz:

Das EPG ist für Klagen auf Festsetzung von Schadensersatz auf Grundlage eines rechtskräftig abgeschlossenen Patentverletzungsverfahrens vor einem nationalen Gericht nicht zuständig. Art. 32 lit. a) EPGÜ eröffnet eine Zuständigkeit des EPG für die Festsetzung von Schadensersatz erst nach einer vorangegangenen Klage auf Patentverletzung vor einer Kammer des EPG. Art. 32 lit. f) EPGÜ begründet eine Zuständigkeit nur für Klagen auf Schadensersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt, vor. Auch die Geltendmachung von Schadensersatz findet seine Grundlage in dem vorläufigen Schutz, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt. Die Anerkennung eines nationalen Urteils auf Feststellung von Schadensersatz kann die Zuständigkeit des EPG für die Festsetzung von Schadensersatz nicht begründen.

Stichworte:

Einspruch; Regel 19.1 EPGVerfO; Zuständigkeit des EPG; Art. 32 Abs. 1 EPGÜ; Festsetzung von Schadensersatz; nationales Patentverletzungsverfahren

ECLI-Referenzcode: nicht angegeben

STREITPARTEIEN

1)Fives ECL, SASVertreten durch Konstantin Schallmoser
(Klägerin) – 100 rue Chalant – 59790 Ronchin – FrankreichPreu Bohlig und Partner
2)REEL GmbHVertreten durch Dr. Benjamin Schröer
(Beklagte) – Rudolf Diesel Straße 1 – 97209 Veitshöchheim – DEHogan Lovells International

ENTSCHEIDENDER RICHTER:

Berichterstatterin (Judge-rapporteur)

Vorsitzende Richterin Sabine Klepsch

VERFAHRENSSPRACHE:

Deutsch

GEGENSTAND DES VERFAHRENS:

Festsetzung von Schadensersatz

KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTES:

Mit Klageschrift vom 8. August 2023, eingegangen nach Regel 4.2 VerfO in Papierform bei der Lokalkammer Hamburg am gleichen Tag, stellte die Klägerin einen Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz. Eine Einreichung über das elektronische Fallbearbeitungssystem des Gerichts scheiterte, da die Einreichung eines Schadensersatzhöheverfahrens die Eingabe einer zugrundeliegenden Fallnummer des EPG fordert.

Vorausgegangen ist zwischen den hiesigen Parteien – neben weiteren Parteien - ein Patentverletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 4c O 1/21 (Anlage PBP 3). In diesem Verfahren wurde die Beklagte (dortige Beklagte zu 1)) mit Urteil

vom 9. August 2022 unter anderem dazu verurteilt, es zu unterlassen, Service-Module für eine Reihe von Elektrolysezellen, die für die Herstellung von Aluminium durch Schmelzflusselektrolyse bestimmt sind, und die mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 des deutschen Teils des EP 1 740 740 B1 (nachfolgend: Streitpatent) ausgestattet sind, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten. In dem genannten Urteil wurde zudem festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. näher bezeichneten, seit dem 2. Dezember 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Das Urteil ist rechtskräftig. Keine der Parteien hat Berufung eingelegt.

Ferner hat die Beklagte gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht eingereicht (Aktenzeichen 3 Ni 20/19 (EP)), welche mit Urteil vom 18. Mai 2022 vollständig abgewiesen wurde. Über die hiergegen gerichtete Berufung zum Bundesgerichtshof (Aktenzeichen X ZR 114/22) ist noch nicht entschieden. Weitere Verfahren, insbesondere solche in anderen Mitgliedstaaten des EPGÜ, sind nicht anhängig.

Anträge der Parteien:

Die Beklagte beantragt:

  1. Dem Einspruch wird stattgegeben und der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragstellerin.

Die Klägerin beantragt:

  1. Der Einspruch wird als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen.
  2. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. August 2022, Az. 4c O 1/21 (Anlage PBP 3) wird gemäß Artikel 36 Abs. 3 EuGVVO (Verordnung 1215/2012) anerkannt.
  3. Hilfsweise wird die Durchführung einer Zwischenanhörung beantragt.

Tatsächliche und rechtliche Streitpunkte:

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2023 legte die Beklagte Einspruch analog R. 19.1 lit. a VerfO ein. Sie rügt, dass das angerufene Gericht für den vorliegend gestellten Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz gemäß Art. 32 Abs. 1 Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) nicht zuständig sei. Art. 32 Abs. 1 EPGÜ benenne abschließend diejenigen Klagen, welche die Zuständigkeit des Einheitliches Patentgericht (EPG) begründen. Für alle anderen Klagen oder Anträge seien gemäß Art. 32 Abs. 2 EPGÜ die nationalen Gerichte zuständig. Da der vorliegende Antrag keiner der in Art. 32 Abs. 1 EPGÜ

aufgelisteten Klagen zuzuordnen sei, insbesondere unterfalle er weder lit. f) noch lit. a), sei das angerufene Gericht nicht zuständig. Lit. f) sei nicht einschlägig, da es sich hierbei um Klagen auf Entschädigung und Schadensersatz aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentliche Anmeldung eines europäischen Patentes gewährt, handele. Lit. a) komme nicht zum Tragen, da es sich nicht um eine Klage wegen tatsächlicher Verletzung eines Patents handele. Über die Verletzung des Patentes könne das EPG nicht mehr entscheiden, da hierüber bereits das Landgericht Düsseldorf eine Entscheidung getroffen habe. Die Prüfung und Feststellung der Verletzung eines Patentes obliege jedoch dem EPG, wenn in einem nachgelagerten Schritt Schadensersatz festgesetzt werden solle. Bei einem Schadensersatzfestsetzungsverfahren handele es sich lediglich um ein unselbständiges Anhängsel zum eigentlichen Patentverletzungsverfahren. Die Verfahrensordnung sehe in einem ersten Verfahrensschritt – nachdem die Patentverletzung festgestellt worden sei – vor, anzuordnen, dass der Beklagte verpflichtet ist, Schadensersatz zu leisten (neben weiteren Anordnungen, z.B. Unterlassung und Rückruf); die Höhe des Schadensersatzes werde dann vom Gericht in einem gesonderten zweiten Verfahrensabschnitt, dem Schadensersatzfestsetzungsverfahren, nach den R. 125 ff. Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (VerfO) festgesetzt. Die Zuständigkeit des Gerichts für diesen gesonderten Verfahrensabschnitt ergebe sich daraus, dass zuvor die Patentverletzung durch das Gericht festgestellt worden sei und die separate Schadensersatzfestsetzung in einem gesonderten Verfahren aus prozessökonomischen Gründen erfolge. Insoweit verhalte es sich nicht anders als beim gesonderten Verfahren zur Festsetzung der Kosten, welches in R. 150.1 VerfO niedergelegt sei. Kostenfestsetzungs- und Schadensersatzfeststellungsverfahren seien demnach als Anhängsel zum eigentlichen Patentverletzungsverfahren konzipiert. Beiden vorausgegangen sei die Prüfung und Feststellung der Verletzung eines Patents durch das EPG. Die sei vorliegend nicht der Fall, da die Festsetzung von Schadensersatz nicht an eine Klage wegen Patentverletzung nach Art. 32 Abs. 1 Lit. a) EPGÜ anknüpfe.

Eine Zuständigkeit folge auch nicht aus Art. 71b Nr. 1 EuGVVO oder eine Anerkennung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf nach Art. 36 EuGVVO. Erstere Vorschrift regele nur die internationale Zuständigkeit des EPG im Verhältnis zu den Gerichten der Nichtmitgliedstaaten. Vorliegend gehe es jedoch um die Frage, welche Kompetenzen die Vertragsmitgliedstaaten der Sache nach auf das EPG übertragen haben. Art. 36 EuGVVO komme nicht zum Tragen, da sich die Frage einer Anerkennung erst stelle, wenn positiv festgestellt werden könne, dass das EPG zuständig sein. Die Anerkennung eines Urteils könne keine Zuständigkeit begründen. Letztlich sei das EPG auch nicht zuständig für Ansprüche, die vor dem 1. Juni 2023 entstanden seien.

Im Übrigen sei der Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz nicht statthaft. Dem Antrag sei kein Hauptsacheverfahren vor dem EPG vorausgegangen, was zur Unstatthaftigkeit des Antrags führe. Der Einspruch sei überdies begründet, dass nicht alle Anlagen in die Verfahrenssprache übersetzt worden seien.

De Klägerin macht geltend, dass der Einspruch unzulässig sei soweit er sich auf die Sprache der Anlagen beziehe. R. 19.1 c) VerfO beziehe sich ausdrücklich nur auf die Klageschrift. Unzulässig sei er auch bezüglich der Frage der Statthaftigkeit des Antrags. Die Statthaftigkeit sei als möglicher Einspruchsgrund in R. 19.1 VerfO nicht aufgeführt.

Der Einspruch sei im Übrigen unbegründet. Ob das EPG für das Schadensersatzhöheverfahren nach dem Art. 32 Abs. 1 a) oder f) EPGÜ zuständig sei, spiele für die bestehende Zuständigkeit des EPGs keine Rolle, da dieses für die Feststellung und Berechnung eines Schadens im Zusammenhang mit einer Patentverletzung zuständig sei. Entsprechendes folge aus der umfassenden Gerichtszuständigkeit seit dem 1. Juni 2023. Nur im Rahmen des Art. 32 Abs. 2 EPGÜ sowie gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 EPGÜ bleibe die Zuständigkeit der nationalen Gerichte bestehen. Sollte man dies anders sehen, ergebe sich eine Regelungslücke für Verfahren zur Festsetzung der Höhe des Schadensersatzes. Diese könnten nach Ablauf der Übergangsfrist nicht mehr durchgesetzt werden.

Es könne Art. 32 Abs. 1 EPGÜ nicht entnommen werden, dass sich die Zuständigkeit des EPG für Verfahren zur Festsetzung von Schadensersatz gerade daraus ergeben soll, dass das EPG selbst die Verletzung des Patents festgestellt habe. Dies widerspräche den Grundsätzen gemäß Art. 1 Abs. 1 EPGÜ und Art. 3c) EPGÜ und auch der in Art. 68 EPGÜ festgelegten Zuständigkeit des Gerichts, Schadensersatz festzusetzen. Jedenfalls ergebe sich die Zuständigkeit aus Art. 71b) Nr. 1 EuGVVO oder aus der Anerkennung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf gemäß Art. 36 Abs. 3 EuGVVO. Würde das Feststellungsurteil des Landgerichts Düsseldorf vor dem Einheitlichen Patentgericht nicht anerkannt, hieße dies in der Sache nichts anderes, als dass sich das Einheitliche Patentgericht außerhalb des Gerichtssystems der EU positionierte. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen Artikel 20 EPGÜ und das primäre EU-Recht (s. hierzu auch Gutachten 1/09 des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011). Das Feststellungsurteil sei auch eine taugliche Grundlage für den Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz.

Die weiteren Argumente der Beklagten würden nicht überzeugen. Weder die Frage des anwendbaren Rechts noch die Frage einer möglicherweise unzulässigen Rückwirkung hätten etwas mit der Beurteilung der Zuständigkeit des Gerichts zu tun.

GRÜNDE DER ANORDNUNG:

Der Einspruch ist nach R. 19.1 lit. a) VerfO unabhängig von der Frage, ob dieser in unmittelbarer oder analoger Anwendung zum Tragen kommt, zulässig. Zwar kann das Gericht im Wege einer Anordnung nach R. 361 VerfO eine Klage jederzeit wegen fehlender Zuständigkeit des EPG abweisen. Es ist jedoch angezeigt auch im Falle der R. 361 VerfO die Erhebung eines Einspruchs abzuwarten, was vorliegend geschehen ist, so dass nunmehr über den Einspruch zu entscheiden ist.

Die Berichterstatterin übt ihr Ermessen nach R. 20.1 VerfO dahingehend aus, bereits zum jetzigen Zeitpunkt über den Einspruch zu entscheiden. Dies entspricht dem Zweck des Einspruchsverfahrens grundlegende prozessuale Fragen, wie hier die Zuständigkeit, zu einem frühen Zeitpunkt zu klären.

Der Einspruch ist begründet. Die angerufene Kammer des EPG ist für das Begehren der Klägerin, Schadensersatz aus einem rechtskräftig abgeschlossenen nationalen Patentverletzungsverfahren festzusetzen, unzuständig.

Art. 32 EPGÜ

Art. 32 Abs. 1 EPGÜ listet diejenigen Klagen, für die das EPG zuständig ist, abschließend auf (vgl. Bopp/Kircher/Bopp, EurPatentprozess-HdB, 2. Aufl. § 8 Rn. 58). Für alle anderen Klagen oder Anträge sind gemäß Art. 32 Abs. 2 EPGÜ die nationalen Gerichte zuständig.

a)

Das Gericht ist nach Art. 32 Abs. 1 lit. f) EPGÜ unzuständig. Nach Art. Art. 32 Abs. 1 lit. f) EPGÜ ist das Gericht für eine Klage auf Schadensersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentliche Anmeldung eines europäischen Patents gewährt, zuständig. Sowohl im Fall der Entschädigung als auch im Falle des Schadensersatzes muss es sich um den vorläufigen Schutz einer veröffentlichten Patentanmeldung handeln (vgl. Bopp/Kircher/Bopp, a.a.O. § 8 Rn. 142 ff.; Tilmann/Plassmann/Tilmann/Grabinski, Unified Patent Protection in Europe: A commentary, 2018, Art. 32 Rn. 103). Da es sich vorliegend nicht um einen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund des durch eine Patentanmeldung vermittelten vorläufigen Schutzes handelt, sondern um Schadensersatz wegen der Verletzung eines Patentes, findet Art. 32 Abs. 1 lit. f) EPGÜ keine Anwendung.

b)

Auch Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ findet keine Anwendung. Danach ist das EPG ausschließlich zuständig für Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten und zugehörige Klageerwiderungen, einschließlich Widerklagen in Bezug auf Lizenzen. Bereits der Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ verdeutlicht, dass Gegenstand der Klage die Prüfung der Verletzung oder drohenden Verletzung eines Patentes ist. Diese Prüfung wird dem EPG in der genannten Vorschrift zugewiesen, wobei im Übergangszeitraum nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ hierfür parallel die nationalen Gerichte zuständig sind, soweit ein europäisches Patent im Sinne des Art. 2 lit. e) EPGÜ betroffen ist.

Steht nach Prüfung durch das EPG das Vorliegen einer Patentverletzung fest, sind die Folgen einer Patentverletzung im EPG als verfahrensrechtliche Befugnisse (im Gegensatz zum deutschen Patentrecht) formuliert. Das EPGÜ regelt die Rechtsfolgen einer Patentverletzung in den Artt. 63 (Untersagung), 64 (Abhilfemaßnahmen), 67 (Auskunft), 68 (Schadensersatz) und 80 EPGÜ (Veröffentlichung). Diese Regelungen finden sich nicht in Teil I des EPGÜ – Allgemeine und institutionelle Bestimmungen -, sondern im Kapitel IV – Befugnisse des Gerichts. Diese Regelungen stellen somit keine Anspruchsgrundlage dar, sondern bedingen lediglich die im Ermessen des Gerichts stehende und ggfs. auszusprechende Rechtsfolge. Denn im EPGÜ findet sich keine Differenzierung zwischen materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlage und prozessrechtlicher Anordnung. Dies bedeutet, dass die Prüfung, welche Rechtsfolge auszusprechen ist, lediglich in einem zweiten Schritt – Annex-Kompetenz - nach der Prüfung und Feststellung, dass die Verletzung eines Patentes vorliegt - originäre Kompetenz des EPG -, erfolgt.

Somit kann zwar vor dem EPG die Festsetzung von Schadenersatz geltend gemacht werden. Gem. Art. 68 EPGÜ kann hier das Gericht auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer der geschädigten Partei zum Ausgleich des von ihr wegen der Verletzung erlittenen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat. Dieser Antrag, der auf eine Feststellung abzielt, kann, wie sich aus R. 118.1 VerfO ergibt, bereits im Verletzungsverfahren gestellt werden. Die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes kann

auf Antrag der obsiegenden Partei später bestimmt werden, wozu die VerfO in R. 125–144 ein gesondertes Schadensersatzfestsetzungsverfahren vorsieht, das sich dem Verletzungsverfahren prozessual anschließt. Zuständig ist das Gericht, das auch über die Verletzungsklage entschieden hat, und zwar gem. R. 135.2 VerfO derselbe Spruchkörper, es sei denn, dies ist nicht möglich oder nicht zweckmäßig. Wie die VerfO deutlich macht, folgt die Festsetzung von Schadensersatz somit der Feststellung des Vorliegens einer Patentverletzung und ggfs. der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruches nach, da es sich um die Rechtsfolge einer (originär durch das EPG festzustellenden) Patentverletzung handelt. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass keine Auslegung des EPGÜ über die Verfahrensordnung erfolgen kann. Allerdings regelt die Verfahrensordnung nach Art. 41 Abs. 1 EPGÜ die Einzelheiten des Verfahrens vor dem Gericht und gibt somit einen Anhaltspunkt zum Verständnis des EPGÜ durch den Verordnungsgeber.

Dem EPG wird daher in einem ersten Schritt durch Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ die (originäre) Kompetenz für die Prüfung einer (drohenden) Patentverletzung zugewiesen. Diese Kompetenz ergibt sich bereits aus den Erwägungen zum EPGÜ. Es heißt es unter anderem:

„IN DER ERWÄGUNG, dass der fragmentierte Patentmarkt und die beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Gerichtssystemen sich nachteilig auf die Innovation auswirken, insbesondere im Falle kleiner und mittlerer Unternehmen, für die es schwierig ist, ihre Patente durchzusetzen und sich gegen unberechtigte Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu wehren, (…)“

„IN DEM WUNSCH, durch die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts für die Regelung von Rechtsstreitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit von Patenten die Durchsetzung von Patenten und die Verteidigung gegen unbegründete Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu verbessern und die Rechtssicherheit zu stärken, (…)“

Damit wird deutlich, dass Zweck der Schaffung eines Einheitlichen Patentgerichts die Vereinheitlichung der Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten ist. Dadurch wird die Durchsetzung von Patenten und damit auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Patentverletzung – einschließlich der Annexkompetenz zur Rechtsfolge - den nationalen Gerichten im Umfang der Zuständigkeitsregelung des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ entzogen. Diese Feststellung – neben anderen – wird dem EPG auf Grundlage der Zuständigkeitsregelung des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ zugewiesen. Dieses Verständnis bedingt allerdings, dass die Frage der Verletzung eines Patents durch das EPG zu klären ist.

Die Zuständigkeit des EPG bedingt gleichermaßen, dass die Zuständigkeit entzogen ist, wenn ein nationales Gericht bereits über einen nationalen Teil eines europäischen Patentes rechtskräftig entschieden hat. Der Streitgegenstand des Verletzungsverfahrens vor dem EPG kann nicht Gegenstand einer bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Mitgliedstaates sein. Wenn die frühere Verletzungsklage in einem Mitgliedstaat auf ein Bündelpatent gestützt ist, sind diese rechtskräftigen Urteile der Mitgliedstaaten für die Zulässigkeit der Verletzungsklage vor dem EPG relevant. Da das EPG im Rahmen seiner Zuständigkeit für Verletzungsklagen wie ein Rechts- bzw. Funktionsnachfolger der Gerichte der Mitgliedstaaten fungiert, hat es jedenfalls die formelle Rechtskraft der früheren Urteile.

dieser Gerichte zu respektieren, was eine erneute Entscheidung durch das EPG ausschließt. Daher bilden Urteile eines Mitgliedstaates ein partielles Prozesshindernis für die Verletzungsklage vor dem EPG, nämlich im Umfang des nationalen Teils des Mitgliedstaates des Bündelpatentes, der Grundlage des nationalen Urteils war (Bopp/Kircher/Kircher, a.a.O. § 13 Rn. 72). Insofern schließt ein rechtskräftig beendetes nationales Patentverletzungsverfahren in einem Mitgliedstaat, welches auf den nationalen Teil eines Bündelpatentes gestützt ist, die erneute Erhebung einer Klage vor dem EPG wegen Verletzung dieses nationalen Teils des Bündelpatentes wegen der Rechtskraftwirkung aus.

Für das hier vertretene Verständnis, dass dem EPG nach Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ die originäre Kompetenz für die Prüfung einer Patentverletzung zugewiesen ist, spricht auch die Systematik des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ. In lit. a) bis i) werden die einzelnen Zuständigkeiten aufgezählt. Lit. f) bestimmt explizit eine Zuständigkeit für Klagen auf Schadensersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt. Im Gegenzug ist allerdings keine isolierte (originäre) Zuständigkeit für eine Klage/einen Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz vorgesehen, was deutlich macht, dass es sich bei der Festsetzung von Schadensersatz aufgrund einer Patentverletzung um eine Rechtsfolge handelt, die in einem nachgelagerten Verfahren (Annex-Kompetenz) – eben nach Feststellung der Patentverletzung – behandelt wird.

Zwar mag, worauf die Klägerin verweist, in den Erwägungsgründen zum EPGÜ auch geregelt sein:

„IN DER ERWÄGUNG, dass das einheitliche Patentgericht ein gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten und somit Teil ihres Rechtswesens sein sollte und dass es mit einer ausschließlichen Zuständigkeit für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und für die nach dem EPÜ erteilten Patente ausgestattet sein sollte, (…).“

Gleichermaßen heißt es in Art. 1 Abs. 1 EPGÜ:

„Es wird ein Einheitliches Patentgericht für die Regelung von Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung errichtet.“

Damit wird natürlich deutlich, dass dem EPG eine denkbar weite Kompetenz zukommen soll. Der Wunsch nach einer weiten Kompetenz kann sich allerdings über den in Art. 32 Abs. 1 EPGÜ getroffenen Zuständigkeitskatalog nicht hinwegsetzen. Art. 32 Abs. 1 EPGÜ sieht in lit. a) ausdrücklich eine Klage, die die Verletzung eines Patents zum Gegenstand hat, vor. Dies verdeutlicht die originäre Kompetenz des EPG für die Überprüfung einer Patentverletzung.

Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet das genannte Verständnis keine Regelungslücke für Verfahren zur Festsetzung der Höhe des Schadensersatzes aus einem rechtskräftigen nationalen Verletzungsurteil. Die Klägerin behauptet, dass nach Ablauf des Übergangszeitraumes nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ kein Gericht mehr für die Angelegenheit zuständig sei. Dies ist nicht zutreffend. Da der Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz nach einem nationalen Patentverletzungsverfahren keinem der Zuständigkeitstatbestände des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ unterfällt, sind hierfür nach Art. 32 Abs. 2 EPGÜ eben die Gerichte der Mitgliedstaaten zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt mangels Zuständigkeit des EPG nach Ablauf der Übergangsfrist bestehen.

c)

Eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts wird auch nicht durch Art. 71(b) Nr. 1 EuGVVO (Verordnung 1215/2012) begründet. Dieser besagt:

„Die Zuständigkeit eines gemeinsamen Gerichts wird wie folgt bestimmt:

  1. Ein gemeinsames Gericht ist zuständig, wenn die Gerichte eines Mitgliedstaats, der Partei der Übereinkunft zur Errichtung des gemeinsamen Gerichts ist, nach Maßgabe dieser Verordnung in einem unter die betreffende Übereinkunft fallenden rechtsgebiet zuständig wäre.“

Die Klägerin vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass aufgrund des Umstandes, dass das Unionsrecht Vorrang vor den Regelungen des EPGÜ genieße, sich die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts direkt aus Art. 71(b) Nr. 1 EuGVVO ergebe. Denn das EPGÜ betreffe die Regelung von Streitigkeiten auf Grundlage von Europäischen Patenten und hierfür waren und seien die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten nach der EuGVVO zuständig.

Dem kann nicht gefolgt werden. Denn Art. 71b EuGVVO regelt nur die internationale Zuständigkeit des EPG im Verhältnis zu den Gerichten von Nichtvertragsmitgliedstaaten (Bopp/Kircher/Bopp, a.a.O. § 8 Rn. 1). Vorliegend ist allein maßgeblich, welche Kompetenzen die Vertragsmitgliedstaaten dem EPG übertragen haben, somit für welche Verfahrensarten bzw. –gegenstände dieses zuständig ist. Mit dieser Frage befassen sich die EuGVVO und insbesondere Art. 71b nicht. Diese wurde vielmehr in Art. 32 Abs. 1 EPGÜ geregelt.

d)

Zur Zuständigkeit verhilft dem Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz auch nicht eine Anerkennung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf, welches eine Patentverletzung festgestellt hat. Art. 36 EuGVVO, auf welchen die Klägerin in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, sieht vor:

(1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.

(2) Jeder Berechtigte kann gemäß dem Verfahren nach Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 die Feststellung beantragen, dass keiner der in Artikel 45 genannten Gründe für eine Versagung der Anerkennung gegeben ist.

(3) Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Versagung der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden.

Eine Anerkennung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf führt nicht dazu, dass eine der genannten Zuständigkeiten des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ gegeben wäre. Denn – wie ausgeführt – sieht Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ, der allein in Betracht kommt, eine Klage wegen einer Verletzung eines Patents vor, die vorliegend nicht gegeben ist. Auch eine Anerkennung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf kann nicht dazu führen, dass die abschließende Kompetenzregelung des Art. 32 Abs. 1 EPGÜ umgangen wird, indem nunmehr aufgrund eines nationalen Verletzungsurteils die dem EPG zustehende Prüfung der Verletzung eines Patents (Originär-Kompetenz) entzogen wäre.

Die Klägerin verkennt, dass die Verpflichtung des EPG aus Art. 36 EuGVVO, die Entscheidung anderer Gerichte zu beachten, sich erst dann stellt, wenn überhaupt eine Zuständigkeit des EPG gegeben ist. Dies ist aus den hier genannten Gründen nicht der Fall. Die Beachtung eines nationalen Urteils eines Mitgliedstaates, um die Zuständigkeit zu begründen, bedingt insoweit einen Zirkelschluss. Art. 36 EuGVVO gibt für die Frage, welche Kompetenzen die Vertragsmitgliedstaaten auf das EPG übertragen haben, keine Antwort. Denn die vorliegend maßgebliche Zuständigkeitsfrage betrifft nicht das Verhältnis zweier Mitgliedstaaten,

sondern die Frage des EPG zu seinen Vertragsmitgliedstaaten. Für die Beantwortung dieser Frage ist ausschließlich das EPGÜ maßgeblich.

Vor dem Hintergrund der vorstehend erläuterten fehlenden Zuständigkeit des EPG und damit auch der angerufenen Kammer, kommt es auf die weiteren von der Beklagten angeführten Einwände, wie die Statthaftigkeit des Antrags, die fehlende Zuständigkeit für Ansprüche, die vor dem 1. Juni 2023 entstanden sind und die Rüge der Verfahrenssprache, somit nicht an.

Soweit die Klägerin hilfsweise die Durchführung einer Zwischenanhörung beantragt hat, übt die Berichterstatterin ihr pflichtgemäßes Ermessen dahingehend aus, dass eine solche nicht anberaumt wird. Die Argumente der Parteien, welche ausschließlich Rechtsfragen betreffen, wurden von den Parteien bereits schriftsätzlich ausgetauscht.

ANORDNUNG:

Aus diesen Gründen und nachdem die Parteien zu allen relevanten Aspekten für die folgende Anordnung gehört wurden, ergeht folgende Anordnung:

  1. Die Berichterstatterin gibt dem Einspruch der Beklagten vom 6. Oktober 2023 statt.
  2. Der Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz wird zurückgewiesen.
  3. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. August 2022, Az. 4c O 1/21 (Anlage PBP 3) wird nicht gemäß Artikel 36 Abs. 3 EuGVVO (Verordnung 1215/2012) anerkannt.
  4. Der Antrag auf Durchführung einer Zwischenanhörung wird zurückgewiesen.

DETAILS DER ANORDNUNG:

UPC number:UPC_CFI_559935/2023
Action type:Festsetzung von Schadensersatz
Application Type:Regel 19 VerfO - Einspruch
Erlassen am:17. November 2023
Vorsitzende Richterin:Sabine Klepsch

Berichterstatterin

Die vorliegende Entscheidung des Berichterstatters, mit der dem Einspruch stattgegeben wird, ist eine endgültige Entscheidung des Gerichts, gegen die durch die unterlegene Partei innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung Berufung eingelegt werden kann (Art. 73 Abs. 1 EPGÜ, R. 21.1 und 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO).