Unified Patent Court

EPG - Berufungsgericht

UPC_CoA_101/2024

Juridiction unifiee du brevet

App_ 12137/2024

ANORDNUNG

des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 28. März 2024 betreffend einen Antrag auf Beschränkung des Zugangs zu Informationen oder Beweismitteln auf bestimmte Personen

LEITSATZ:

  • Eine nicht mit der Berufung angegriffene Anordnung des Gerichts erster Instanz gemäß R.262A VerfO, die den Zugang zu bestimmten Informationen oder Beweismitteln auf bestimmte Personen beschränkt, hat soweit in der Anordnung nichts anderes bestimmt ist, nach Abschluss des Verfahrens und damit auch während des Berufungsverfahrens Geltung.

SCHLAGWORTE:

  • R. 262A VerfO – Schutz vertraulicher Informationen

BERUFUNGSKLÄGER (UND BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI):

Curio Bioscience Inc.

vertreten durch: Europäischer Patentanwalt Cameron Marshall und Rechtsanwältin Agathe Michel-de Cazotte (Carpmaels & Ransford)

BERUFUNGSBEKLAGTER (UND KLÄGER IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI):

10x Genomics, Inc.

vertreten durch: Rechtsanwalt Prof. Dr. Tilman Müller-Stoy (Bardehle Pagenberg)

VERFÜGUNGSPATENT

EP 2 697 391

SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER:

Diese Anordnung wurde erlassen von dem zweiten Spruchkörper des Berufungsgerichts unter Mitwirkung von:

  • Rian Kalden, Vorsitzende Richterin
  • Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin
  • Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin

BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

  • Datum: 26. Februar 2024
  • Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: UPC_CFI_463/2023; ACT_5164/2024

ANTRÄGE DER PARTEIEN

Der Berufungskläger beantragt gemäß R.262A VerfO eine Beschränkung des Zugangs zu vertraulichen Informationen oder Beweismittel auf bestimmte Personen.

TATSÄCHLICHE UND RECHTLICHE STREITPUNKTE

  1. Die Parteien sind Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Gericht erster Instanz, Lokalkammer Düsseldorf, in dem 10xGenomics die Anordnung einstweiliger Maßnahmen gegen Curio Bioscience begehrt (ACT_590953/2023, UPC_CFI_463/2023).
  2. Am 30. Januar 2024 beantragte Curio Bioscience eine Änderung der Verfahrenssprache von Deutsch auf Englisch. Dieser Antrag wurde am 26. Februar 2024 von der Präsidentin des Gerichts erster Instanz zurückgewiesen (App_5164/2024, UPC_CFI_463/2023). Curio Bioscience hat gegen diese Anordnung Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen APL_12116/2024, UPC_CoA_101/2024, anhängig ist.
  3. Zwischenzeitlich hatte die Lokalkammer Düsseldorf auf Antrag von Curio Bioscience Maßnahmen zum Schutz von Informationen gemäß R.262A.6 VerfO ergriffen und erließ am 23. Februar 2024 eine vorläufige Anordnung und am 11. März 2024 eine endgültige Anordnung (App_8500/2024, UPC_CFI_463/2023). In der endgültigen Anordnung wird, ähnlich wie in der vorläufigen Anordnung, angeordnet, dass der Zugang zur ungeschwärzten Fassung eines Dokuments mit der Bezeichnung CR-3 auf bestimmte Personen seitens 10x Genomics beschränkt wird. Die Personen wurden außerdem verpflichtet, die in den ungeschwärzten Fassungen der oben genannten Dokumente enthaltenen Informationen gegenüber 10x Genomics vertraulich zu behandeln. Gegen die endgültige Anordnung wurde keine Berufung eingelegt.
  4. Bei Einlegung der Berufung gegen die Anordnung, mit der eine Änderung der Verfahrenssprache abgelehnt wurde, legte Curio Bioscience dem Berufungsgericht jedoch eine geschwärzte Fassung von CR-3 als Anlage CR-1 vor und beantragte, den Zugang auf bestimmte Informationen auf die in Absatz 1 der Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf genannten Personen zu beschränken.

5.

10x Genomics wurde zu dem Antrag auf Schutz vertraulicher Informationen gehört und hat beantragt, dass der Zugang zu den von Curio Bioscience als vertraulich bezeichneten Informationen zumindest für die von Curio Bioscience genannte Personengruppe gemäß der endgültigen Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf angeordnet wird. 10x Genomics hat ergänzend ausgeführt, dass es im Ermessen des Berufungsgerichts liege, bestimmte weitere Personen in die Liste aufzunehmen.

6.

In der Zwischenanhörung am 18. März 2024 wies die Berichterstatterin auf ihre vorläufige Auffassung hin, dass die Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf auch die Informationen, die Gegenstand des Antrags auf Schutz vertraulicher Informationen sind, erfasse, so dass keine Anordnung des Berufungsgerichts erforderlich sei, und gab den Parteien Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

7.

Curio Bioscience hat vorgetragen, es treffe zu, dass die Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf Anwendung finde, der Antrag auf Vertraulichkeit sei nur aus Gründen der Vorsicht beim Berufungsgericht eingereicht worden. Nach Auffassung von 10x Genomics hingegen sei das Verfahren zum Schutz vertraulicher Informationen eine eigenständige Verfahrensform und darüber hinaus könne ein Verfahren über den Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache als eigenständiges, vom Hauptverfahren getrenntes Verfahren angesehen werden.

8.

In der Zwischenanhörung einigten sich die Parteien darauf, die Berichterstatterin über die Angelegenheit entscheiden zu lassen. Die Berichterstatterin hat die Sache an den Spruchkörper zur Entscheidung verwiesen (R.102 VerfO).

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

9.

Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung macht deutlich, dass eine Geheimhaltungs- verpflichtung auch nach „Abschluss des Gerichtsverfahrens“ gilt. Vor diesem Hintergrund hätte eine anderweitige Beschränkung der Geheimhaltungsverpflichtung ausdrücklich angeordnet werden müssen.

10.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass, wenn die Informationen bereits durch die Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf vom 11. März 2024 geschützt werden, eine weitere Anordnung im vorliegenden Berufungsverfahren nicht erforderlich ist.

11.

Absatz 2 der Anordnung vom 11. März 2024 sieht vor: „Sie dürfen nicht außerhalb dieses Gerichtsverfahrens verwendet werden, …“. In Absatz 3 heißt es: … „und nicht außerhalb dieses Verfahrens verwendet werden“.

12.

Diese Wortwahl macht deutlich, dass die Informationen in der ungeschwärzten CR-3 nicht außerhalb des Verfahrens vor dem Einheitlichen Patentgericht verwendet werden dürfen. Das Verbot erstreckt sich damit auch auf Berufungsverfahren wie das vorliegende und nicht nur auf das Verfahren vor der Lokalkammer Düsseldorf.

13.

Folglich gilt die Anordnung zum Geheimnisschutz des Gerichts erster Instanz, Lokalkammer Düsseldorf, auch für die Informationen, die Gegenstand des R.262A VerfO-Antrags sind. Die Informationen sind damit bereits geschützt und der Antrag von Curio Bioscience ist überflüssig und somit fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. In erster Instanz vorgelegte geheimhaltungsbedürftige Unterlagen und Beweismittel sollten deshalb nicht erneut im Berufungsverfahren vorgelegt werden. Es genügt insoweit eine Bezugnahme auf diese Dokumente und Beweismittel.

14.

Wie erläutert, weist 10x Genomics darauf hin, dass eine längere Liste von Personen als die in der Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf vom 11. März 2024 genannten einbezogen werden könnte, aber gegen die genannte Anordnung wurde keine Berufung eingelegt und sie ist hier nicht Gegenstand der Überprüfung. Der Verfahrensgegenstand vor dem Berufungsgericht in Bezug auf den Antrag auf Schutz vertraulicher Informationen wird durch den Antrag von Curio Bioscience bestimmt. Der Antrag von Curio Biosciences ist aus den oben dargelegten Gründen überflüssig.

ANORDNUNG

  1. Der Antrag auf Schutz vertraulicher Informationen wird abgelehnt, ohne dass er in der Sache geprüft wird.
  2. Die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts wird angewiesen, die in das CMS hochgeladene, teilweise geschwärzte Fassung der Anlage CR-1 nur den in der Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf vom 11. März 2024 genannten Personen, die der Geheimhaltungspflicht unterliegen, zugänglich zu machen.

Erlassen am 28. März 2024

Richterinnen

Vorsitzende Richterin: Rian Kalden

Rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin: Ingeborg Simonsson

Rechtlich qualifizierte Richterin: Patricia Rombach