Unified Patent Court

Referenznummern:

Einheitliches Patentgericht: APL_21943/2024

Juridiction unifiee du brevet: UPC_CoA_188/2024

Anordnung

des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 3. September 2024

LEITSÄTZE:

  1. Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia ist dahin auszulegen, dass das EPG fĂŒr eine Verletzungsklage international zustĂ€ndig ist, wenn das vom KlĂ€ger geltend gemachte europĂ€ische Patent in mindestens einem Vertragsmitgliedstaat Wirkung entfaltet und der behauptete Schaden in diesem Vertragsmitgliedstaat eintreten kann. Wird behauptet, dass der Schaden ĂŒber das Internet verursacht worden sei, kann sich die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens aus der Möglichkeit ergeben, Produkte zu erwerben und/oder Dienstleistungen von einer Internetseite in Anspruch zu nehmen, die im Hoheitsgebiet des Vertragsmitgliedstaats, in dem das europĂ€ische Patent Wirkung entfaltet, zugĂ€nglich ist.
  2. Die Bestimmung des Ortes, an dem das schĂ€digende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia hĂ€ngt nicht von Kriterien ab, die in dieser Bestimmung nicht vorkommen und die fĂŒr die PrĂŒfung in der Sache spezifisch sind, wie etwa die Voraussetzungen fĂŒr die Feststellung einer mittelbaren Patentverletzung im Sinne von Art. 26 EPGÜ.
  3. Der Ort, an dem „die tatsĂ€chliche oder drohende Verletzung erfolgt ist oder möglicherweise erfolgen wird“ im Sinne von Art. 33(1)(a) EPGÜ ist in gleicher Weise auszulegen wie der Ort, „an dem das schĂ€digende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia in Bezug auf angebliche Patentverletzungen ausgelegt wird.
  4. Die Liste der EinsprĂŒche in R. 19.1 VerfO ist als abschließend zu betrachten. Die Anwendung der R. 19 bis 21 VerfO kann sich daher nicht ĂŒber andere Erwiderungen wie missbrĂ€uchliches Verhalten im Verfahren und offensichtliche UnbegrĂŒndetheit erstrecken.

SCHLAGWÖRTER :

Berufung; Internationale ZustĂ€ndigkeit; ZustĂ€ndigkeit einer Kammer; Parallelverfahren vor einem nationalen Gericht; EinsprĂŒche

BERUFUNGSKLÄGER (BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ)

  1. AYLO PREMIUM LTD

195-197 Old Nicosia-Limassol Road, Block 1 Dali Industrial Zone, 2540 Nikosia, Zypern 2. AYLO BILLING LIMITED

The Black Church, St Mary’s Place, Dublin 7, D07 P4AX, Dublin, Irland 3. AYLO FREESITES LTD

195-197 Old Nicosia-Limassol Road, Block 1 Dali Industrial Zone, 2540 Nikosia, Zypern

vertreten durch die RechtsanwĂ€lte Prof. Dr. Tilman MĂŒller-Stoy und Conor McLaughlin (Bardehle Pagenberg)

BERUFUNGSBEKLAGTE (KLÄGER IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ)

  1. DISH TECHNOLOGIES L.L.C.

9601 South Meridian Boulevard, 80112 Englewood (CO), Vereinigte Staaten 2. SLING TV L.L.C.

9601 South Meridian Boulevard, 80112 Englewood (CO), Vereinigte Staaten

vertreten durch RechtsanwÀltin Denise Benz (Allen Overy Shearman Sterling)

S TREITPATENT

EP 2479680

S PRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER

  • Erster Spruchkörper
  • Klaus Grabinski, PrĂ€sident des Berufungsgerichts
  • Françoise Barutel, rechtlich qualifizierte Richterin
  • Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter und Berichterstatter
  • Eric Augarde, technisch qualifizierter Richter
  • Klaus Loibner, technisch qualifizierter Richter

V ERFAHRENSSPRACHE

Deutsch

BEANSTANDETE A NORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

□ Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts, Lokalkammer Mannheim, vom 5. April 2024

□ Referenznummern:

App_10821/2024ACT_594191/2023UPC_CFI_471/2023ORD_18206/2024

S ACHVERHALT UND A NTRÄGE DER P ARTEIEN

  1. Die Berufungsbeklagte zu 1 (im Folgenden: DISH) ist eingetragene Inhaberin des EuropĂ€ischen Patents 2479680 (im Folgenden: das Streitpatent). Die Berufungsbeklagte zu 2 (im Folgenden: SLING) ist die ausschließliche Lizenznehmerin von DISH.

  2. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Darstellung von ratenadaptiven Streams. Die Sprache des Streitpatents ist Englisch. Anspruch 1 des Streitpatents lautet in einer von DISH und SLING strukturierten Fassung wie folgt:

A method for presenting rate-adaptive streams. the method comprising:

  1. streaming by a media player operating On an end user station Video from set of one Or more seivers_
  2. wherein each of a plurality of different copies of the video is encoded at a respective different bit rate and each copy is encoded as multiple files On the set of servers.
  3. wherein each of the multiple files independently encapsulates a different portion of the video for playback.
  4. wherein the multiple files across the different copies yields the same portions of the video on playback:

1.23

each of said files having time index indicating the position of the content in that file in relation to the beginning of the video such that the files whose playback is the same portion of the video for each of the different copies have the same time index in relation to the beginning of the video.

and wherein the streaming comprises:

1.3

requesting by the media player plurality of sequential ones of the files of one of the copies from the set of servers over one or more Transmission Control Protocol (TCP) connections based on the time indexes, wherein each file is individually requested by one or more respective HTTP requests over the one or more TCP connections:

1.4

automatically requesting by the media player from the set of servers over the one or more TCP connections subsequent portions of the video by requesting for each such portion one of the files from one of the copies dependent upon successive determinations by the media player to shift the playback quality to higher or lower quality one of the different copies, wherein each file is individually requested by one or more respective HTTP requests over the one or more TCP connections, said automatically requesting including:

1.4.1

regularly generating a set of one or more factors indicative of the current ability to sustain the streaming of the video using the files from different ones of the copies.

1.4.1.1

wherein the set of one or more factors relate to the performance of the network; and

1.4.2

making the successive determinations to shift the playback quality based on at least one of the set of factors to achieve continuous playback of the video using the files of the highest quality one of the copies determined sustainable at that time; and

1.5

presenting the video by playing back with the media player on the end user station the requested files in order of ascending playback time.

3)

Die BerufungsklÀger (im Folgenden: AYLO) sind Unternehmen, die Video-Streaming-Dienste anbieten.

4)

DISH und SLING haben vor der Lokalkammer Mannheim des Gerichts erster Instanz eine Verletzungsklage gegen AYLO und drei weitere Parteien erhoben. DISH und SLING beantragen u. a., das Gericht möge AYLO anordnen, es zu unterlassen, die AnsprĂŒche 1, 3, 5, 6, 8 und 11 des Streitpatents in einer Mehrzahl von Mitgliedstaaten des Übereinkommens ĂŒber ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: EPGÜ), darunter Deutschland, mittelbar zu verletzen. In ihrer Klageschrift machten sie Folgendes geltend,

5. Die ZustĂ€ndigkeit der Lokalkammer Mannheim folgt aus Art. 1, Art. 33(1)(a) EPGÜ, da die Beklagten die angegriffenen Videodateien und Media Player ĂŒber die Internetseiten der genannten Streamingdienste weltweit anbieten und liefern und damit das Klagepatent jedenfalls auch in der Bundesrepublik Deutschland verletzen.

auf S. 10:

1.

Die KlĂ€gerinnen machen die mittelbare Verletzung des EuropĂ€ischen Patents Nr. 2 479 680 [
] durch von den Beklagten in der Republik Österreich, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich DĂ€nemark, der Republik Finnland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande, der Portugiesischen Republik und dem Königreich Schweden zum sogenannten „Streamen“ ĂŒber das Internet angebotene und gelieferte Videodateien und Media Player geltend.

2.

Mit dem Angebot und der Lieferung der zum Streamen bereitgestellten Videodateien und der Media Player zum Streamen von Videos verletzen die Beklagten das Klagepatent mindestens im geltend gemachten Umfang mittelbar. Bei den angegriffenen Videodateien und Media Playern handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung des Klagepatents beziehen.

und auf S. 28-29:

1.

Bei den angegriffenen AusfĂŒhrungsformen handelt es sich um diverse Streamingdienste der Beklagten. Die Beklagten bieten Media Player an, die, wenn sie auf Endbenutzerstationen arbeiten, auf die Videodateien der Beklagten zugreifen und diese streamen, wobei diese unter anderem, aber nicht ausschließlich abrufbar sind ĂŒber die Streamingdienste [verschiedene Websites].

2.

Die angebotenen und gelieferten Videodateien und Media Player verletzen das Klagepatent im geltend gemachten Umfang, wenn sie von Nutzern bestimmungsgemĂ€ĂŸ durch Streamen von Videos mit internetfĂ€higen EndgerĂ€ten – beispielsweise PCs, Tablets oder Mobiltelefonen – verwendet werden. [
]

3.

Das Anbieten und Liefern der angegriffenen AusfĂŒhrungsformen in den im Antrag aufgefĂŒhrten Mitgliedsstaaten erfolgt durch die allesamt in der Bundesrepublik Deutschland abrufbaren, vorstehend genannten Internetseiten, ĂŒber die – gegebenenfalls nach Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements – die Beklagten den Nutzern Videodateien und Media Player, die auf Endbenutzerstationen arbeiten, zum Abspielen solcher Videodateien zur VerfĂŒgung stellen. Sie werden im Rahmen des Streamens von Videos, mithin des klagepatentgemĂ€ĂŸen Verfahrens zur Darstellung ratenadaptiver Videoströme verwendet.

5) AYLO erhob einen Einspruch. Soweit fĂŒr das Berufungsverfahren relevant ist, beantragte AYLO:

I.

die Verletzungsklage aufgrund mangelnder ZustÀndigkeit des EPG abzuweisen (R. 19.1(a) der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts, im Folgenden: VerfO);

II.

als Hilfsantrag zum Antrag I, die Klage aufgrund mangelnder ZustÀndigkeit der Lokalkammer Mannheim abzuweisen (R. 19.1(b) VerfO);

III.

als Hilfsantrag zum Antrag II, die Klage als offensichtlich aussichtslos abzuweisen (R. 19.1 in Verbindung mit R. 361 VerfO);

IV.

als Hilfsantrag zum Antrag III, die Klage gegen den Beklagten Nr. 2 als offensichtlich aussichtslos abzuweisen (R. 19.1 in Verbindung mit R. 361 VerfO).

  1. DISH und SLING beantragten die ZurĂŒckweisung des Einspruchs.

  2. Der Berichterstatter des Spruchkörpers des Gerichts erster Instanz hat den Einspruch mit Anordnung vom 5. April 2024 (im Folgenden: beanstandete Anordnung) zurĂŒckgewiesen. Die BegrĂŒndung des Berichterstatters lĂ€sst sich, soweit sie fĂŒr das Berufungsverfahren relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

  • Es könne dahingestellt bleiben, ob die Frist fĂŒr die Erhebung von EinsprĂŒchen von allen Beklagten eingehalten wurde;
  • Das EPG sei fĂŒr die Verletzungsklage international zustĂ€ndig gemĂ€ĂŸ Art. 31 EPGÜ i.V.m. Art. 71b Abs. 1 und 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 ĂŒber die gerichtliche ZustĂ€ndigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 542/2014 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (nachfolgend: Verordnung BrĂŒssel Ia). Die angebliche mittelbare Patentverletzung betreffe das Angebot und die Lieferung von Videodateien und/oder der fĂŒr das Streaming erforderlichen Media Player. Die Dateien und die Media Player werden nach dem – insoweit unbestrittenen – Vorbringen von DISH und SLING Kunden in Deutschland angeboten und an diese geliefert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EuropĂ€ischen Union (im Folgenden: EuGH) brauche das Gericht bei der PrĂŒfung seiner internationalen ZustĂ€ndigkeit nicht zu bewerten, ob diese Handlungen eine (mittelbare) Verletzung darstellen;
  • Die anderen von AYLO vorgebrachten Argumente, dass die Klage missbrĂ€uchlich und offensichtlich unbegrĂŒndet sei, seien keine EinspruchsgrĂŒnde im Sinne von R. 19.1 VerfO. Diese Argumente seien daher im Rahmen der Einspruchsentscheidung nach R. 20.1 VerfO nicht zu berĂŒcksichtigen. Vielmehr erfolge die Bewertung gegebenenfalls in der abschließenden Sachentscheidung.
  1. AYLO legte gegen die beanstandete Anordnung Berufung ein. In ihrer Berufungsschrift beantragt AYLO, dass das Berufungsgericht:
  • I. die beanstandete Anordnung aufhebt;
  • II. dem Einspruch gemĂ€ĂŸ Antrag I oder den HilfsantrĂ€gen II bis IV stattgibt.

Die BegrĂŒndung der Berufung von AYLO lĂ€sst sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das EPG sei auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia oder einer anderen Bestimmung nicht international zustĂ€ndig;
  • Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia verlange einen schlĂŒssigen Vortrag der geltend gemachten Verletzung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten;
  • Die Klageschrift enthalte keinen schlĂŒssigen Vortrag. DISH und SLING hĂ€tten nicht vorgetragen, dass die Websites von AYLO dazu bestimmt seien, das patentierte Verfahren im Hoheitsgebiet der EPGÜ-Vertragsstaaten (im Folgenden: Vertragsmitgliedstaaten) zu benutzen. Nach Angaben von AYLO hĂ€tten DISH und SLING angegeben, dass ĂŒber diese Websites Videodateien und Media Playern verfĂŒgbar seien, machten jedoch nicht geltend, dass diese zur Nutzung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten bestimmt seien. Sie hĂ€tten auch nicht

vorgetragen, dass die angebliche Nutzung des patentierten Verfahrens Server einen Vertragsmitgliedstaat betreffe;

  • Die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia im Zusammenhang mit Markenverletzungen sei nicht auf FĂ€lle von mittelbaren Patentverletzungen, die auf einen doppelten Inlandsbezug beschrĂ€nkt sind, anwendbar;
  • Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, dass der KlĂ€ger alle objektiven Merkmale der behaupteten unerlaubten Handlung, wie die Verwendung der Anspruchsmerkmale eines Patents, vorbringen mĂŒsse;
  • Aus denselben GrĂŒnden sei die Lokalkammer Mannheim nicht zustĂ€ndig im Sinne von Art. 33(1)(a) EPGÜ. DISH und SLING hĂ€tten eine mittelbare Verletzung des Klagepatents in Deutschland nicht schlĂŒssig vorgetragen;
  • Der dem Art. 30 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia zugrunde liegende Rechtsgedanke verhindere eine missbrĂ€uchliche Mehrfachklageerhebung. Ein solcher Missbrauch bedeute auch eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren und eine BeeintrĂ€chtigung des Funktionierens des Binnenmarktes im Sinne von Art. 26 des Vertrags ĂŒber die Arbeitsweise der EuropĂ€ischen Union (im Folgenden: AEUV);
  • Die offensichtliche UnbegrĂŒndetheit sei ein ungeschriebener Einspruch. Selbst wenn es sich nicht um einen Einspruch handeln wĂŒrde, hĂ€tte das Gericht erster Instanz ĂŒber ihn entscheiden sollen;
  • AYLO habe den Einspruch rechtzeitig eingereicht. GemĂ€ĂŸ R. 271.6(b) VerfO gelte die Zustellung am zehnten Tag nach der Aufgabe des Schriftsatzes als erfolgt. Demnach sei AYLO die Klageschrift nicht vor dem 28. Januar 2024 zugestellt worden. Außerdem habe das Fallbearbeitungssystem des Gerichts den 28. Januar 2024 als Zustellungsdatum angegeben.

In ihrer Berufungserwiderung beantragten DISH und SLING, dass das Berufungsgericht die Berufung zurĂŒckweist. Ihre Erwiderung lĂ€sst sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Berufung sei zurĂŒckzuweisen, weil sie unbegrĂŒndet sei;
  • Die beanstandete Anordnung sei rechtsfehlerfrei ergangen, da keiner der in R. 19.1 VerfO genannten GrĂŒnde vorliege;
  • Die EinwĂ€nde von AYLO seien unbegrĂŒndet, da AYLO ĂŒber ihre weltweit zugĂ€nglichen Websites unabhĂ€ngig vom Standort ihrer Server und der Top-Level-Domain Verletzungshandlungen im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten und in der Bundesrepublik Deutschland begehe;
  • Ob die in der Klage bezeichneten Handlungen der Beklagten eine Patentverletzung begrĂŒndeten, sei eine Frage der BegrĂŒndetheit der Klage;
  • Die AufzĂ€hlung der EinspruchsgrĂŒnde in R. 19.1 VerfO sei abschließend. Die VortrĂ€ge von AYLO zur offensichtlichen UnbegrĂŒndetheit und zur missbrĂ€uchlichen ProzessfĂŒhrung mĂŒssten daher außer Acht gelassen werden. DarĂŒber hinaus seien diese VortrĂ€ge unbegrĂŒndet;
  • Der Einspruch des BerufungsklĂ€gers zu 2 sei bereits verfristet und damit unzulĂ€ssig.

GRÜNDE FÜR DIE A NORDNUNG

GrundsĂ€tze fĂŒr die Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia

Das EPG ist ein gemeinsames Gericht im Sinne von Art. 71a Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia (Art. 71a Abs. 2 Buchst. a der Verordnung BrĂŒssel Ia). Das EPG ist daher zustĂ€ndig, wenn die Gerichte eines Vertragsmitgliedstaates nach der Verordnung BrĂŒssel Ia fĂŒr eine Klage im Sinne von Art. 32(1) EPGÜ zustĂ€ndig wĂ€ren (Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia).

  1. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia wĂ€ren die Gerichte eines Vertragsmitgliedstaates im Falle einer Verletzungsklage im Sinne von Art. 32(1)(a) EPGÜ gegen eine in einem EU-Mitgliedstaat ansĂ€ssige Person zustĂ€ndig, wenn das schĂ€digende Ereignis in diesem Vertragsmitgliedstaat eingetreten ist oder einzutreten droht.

  2. In Übereinstimmung mit der stĂ€ndigen Rechtsprechung des EuGH ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia (und die gleichlautende Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung 44/2001) wie folgt auszulegen:

  1. Die Bestimmungen der Verordnung sind autonom unter Bezugnahme auf ihre Systematik und ihren Zweck auszulegen (vgl. EuGH 16. Mai 2013, C-228/11, ECLI:EU:C:2013:305, Melzer, Rn. 22). Es gibt keine Grundlage fĂŒr eine Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia unter Bezugnahme auf die geltenden Vorschriften ĂŒber die außervertragliche Haftung (vgl. EuGH 19. September 1995, C-364/93, ECLI:EU:C:1995:289, Marinari/Lloyd’s Bank, Rn. 19);
  2. Mit der Wendung „Ort, an dem das schĂ€digende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 7 Nr. 2 der Verordnung ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des fĂŒr den Schaden ursĂ€chlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des KlĂ€gers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (vgl. Urteil Melzer, Rn. 25).
  3. Erstens ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass, in FĂ€llen von Verletzungen, die ĂŒber das Internet begangen worden sein sollten, der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne der Bestimmung des Art. 7 Nr. 2 in AbhĂ€ngigkeit von der Natur des Rechts variieren kann, das verletzt worden sein soll (vgl. EuGH 3. Oktober 2013, C-170/12, ECLI:EU:C:2013:635, Pinckney/KDG Mediatech, Rn. 32, und 19. April 2012, C-523/10, ECLI:EU:C:2012:220, Wintersteiger/Products 4U, Rn. 21 bis 24);
  4. Zweitens setzt die Gefahr, dass sich ein Schadenserfolg in einem bestimmten Mitgliedstaat verwirklicht, voraus, dass das Recht, dessen Verletzung geltend gemacht wird, in diesem Mitgliedstaat geschĂŒtzt ist (vgl. Urteile Pinckney, Rn. 33, und Wintersteiger, Rn. 25);
  5. Schließlich ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass die Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs mit dem Ziel, die ZustĂ€ndigkeit fĂŒr die Entscheidung ĂŒber die Geltendmachung einer Verletzung aufgrund einer unerlaubten oder einer solchen gleichgestellten Handlung einem Gericht zuzuweisen, auch davon abhĂ€ngt, welches Gericht am besten in der Lage ist, die BegrĂŒndetheit der geltend gemachten Verletzung zu beurteilen (vgl. Urteile Pinckney, Rn. 34, und Wintersteiger, Rn. 27);
  6. Die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums, dessen durch einen Eintragungsakt vermittelter Schutz auf das Hoheitsgebiet des Eintragungsmitgliedstaats beschrÀnkt ist, ist vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats geltend zu machen. Die Gerichte des Eintragungsmitgliedstaats sind nÀmlich am besten in der Lage, zu beurteilen, ob tatsÀchlich eine Verletzung des betreffenden Rechts vorliegt (vgl. Urteile Pinckney, Rn. 37, und Wintersteiger, Rn. 25 und 28, zu nationalen Marken);
  7. Die Fragen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschĂŒtztes Recht als verletzt angesehen werden kann, und ob diese Verletzung dem Beklagten vorzuwerfen ist, gehören zur inhaltlichen PrĂŒfung des zustĂ€ndigen Gerichts (vgl. Urteile Pinckney, Rn. 40, und Wintersteiger, Rn. 26). Im Stadium der PrĂŒfung der ZustĂ€ndigkeit eines Gerichts fĂŒr die Entscheidung ĂŒber einen Schaden kann die Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia nicht von Kriterien abhĂ€ngen, die der

inhaltlichen PrĂŒfung vorbehalten sind und nicht in dieser Bestimmung enthalten sind.

Art. 7 Nr. 2 sieht nÀmlich als einzige Voraussetzung vor, dass ein Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht. (vgl. Urteil Pinckney, Rn. 41);

So verlangt Art. 7 Abs. 2 im Gegensatz zu Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung BrĂŒssel Ia, der im Urteil vom 7. Dezember 2010 (C‑585/08 und C‑144/09), ausgelegt worden ist, insbesondere nicht, dass die fragliche TĂ€tigkeit auf den Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts „ausgerichtet“ ist (vgl. Urteil Pinckney, Rn. 42);

Demnach ist bei der geltend gemachten Verletzung eines Urhebervermögensrechts die ZustĂ€ndigkeit des angerufenen Gerichts fĂŒr die Entscheidung ĂŒber eine Klage aus unerlaubter oder einer solchen gleichgestellten Handlung festgestellt, sobald der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich dieses Gericht befindet, die Vermögensrechte schĂŒtzt, auf die sich der Anspruchsteller beruft, und die Gefahr besteht, dass sich der Schadenserfolg im Bezirk des angerufenen Gerichts verwirklicht. Diese Gefahr ergibt sich u. a. aus der Möglichkeit, sich ĂŒber eine im Bezirk des angerufenen Gerichts zugĂ€ngliche Website eine VervielfĂ€ltigung des Werkes zu beschaffen, an das die Rechte geknĂŒpft sind, auf die sich der Anspruchsteller beruft (vgl. Urteil Pinckney, Rn. 43-44).

13)

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia dahin auszulegen, dass das EPG fĂŒr eine Verletzungsklage international zustĂ€ndig ist, wenn das vom KlĂ€ger geltend gemachte europĂ€ische Patent in mindestens einem Vertragsmitgliedstaat Wirkung entfaltet und der behauptete Schaden in diesem Vertragsmitgliedstaat eintreten kann. Wird behauptet, dass der Schaden ĂŒber das Internet verursacht worden sei, kann sich die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens aus der Möglichkeit ergeben, Produkte zu erwerben und/oder Dienstleistungen von einer Internetseite in Anspruch zu nehmen, die im Hoheitsgebiet des Vertragsmitgliedstaats, in dem das europĂ€ische Patent Wirkung entfaltet, zugĂ€nglich ist.

Das EPG ist international zustÀndig

14)

In Anbetracht des Vorstehenden, hat das Gericht erster Instanz zu Recht entschieden, dass das EPG in der vorliegenden Rechtssache gemĂ€ĂŸ Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia zustĂ€ndig ist.

15)

Das von DISH und SLING in ihrer Klageschrift vorgetragene schĂ€digende Ereignis besteht darin, dass AYLO ĂŒber ihre Websites Videodateien und Media Player an Endnutzer u. a. in Deutschland anbietet und liefert, die, wenn sie auf Endbenutzerstationen arbeiten, das im Klagepatent beanspruchte Verfahren durchfĂŒhren. DISH und SLING machen geltend, dies stelle eine mittelbare Verletzung des Streitpatents dar. Dies sei ausreichend, um die ZustĂ€ndigkeit des EPG gemĂ€ĂŸ Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia zu begrĂŒnden, da (unstreitig) das Streitpatent u.a. in Deutschland Wirkung entfaltet und die Websites von AYLO u.a. in Deutschland zugĂ€nglich sind.

16)

Der Einwand von AYLO, DISH und SLING hĂ€tten nicht vorgetragen, dass sich die Server von AYLO im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten befĂ€nden, ist greift nicht durch. Wird, wie im vorliegenden Fall, behauptet, dass der Schaden im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia ĂŒber das Internet verursacht worden sei, ergibt sich die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens aus der Möglichkeit, Produkte zu erwerben und/oder Dienstleistungen von einer Website in Anspruch zu nehmen, die im Hoheitsgebiet des Vertragsmitgliedstaats, in dem

das europĂ€ische Patent Wirkung entfaltet, zugĂ€nglich ist, auch wenn sich der Server außerhalb dieses Gebiets befindet (vgl. oben, Rn. 13). Konkret ergibt sich die Schadenswahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall aus der ZugĂ€nglichkeit der Websites von AYLO, ĂŒber die Nutzer in den Vertragsmitgliedstaaten Mittel (Media Player und Videodateien) erhalten können, die sich nach Ansicht von DISH und SLING auf ein wesentliches Element der patentierten Erfindung beziehen und zur Implementierung der Erfindung geeignet und bestimmt sind.

  1. Das Argument von AYLO, DISH und SLING hĂ€tten nicht vorgetragen, dass die Videodateien und Media Player, die AYLO ĂŒber ihre Websites anbiete und liefere, dazu bestimmt seien, das patentierte Verfahren im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten zu nutzen, ist abzuweisen.

  2. Erstens beruht das Argument auf der Annahme, dass die BegrĂŒndung der ZustĂ€ndigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia einen schlĂŒssigen Vortrag von DISH und SLING fĂŒr die behauptete mittelbare Patentverletzung in den Vertragsmitgliedstaaten und ein Vorbringen aller objektiven Merkmale der behaupteten unerlaubten Handlung erfordere. Genauer gesagt macht AYLO geltend, dass DISH und SLING die Tatsachen und UmstĂ€nde hĂ€tten vortragen mĂŒssen, um das Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs fĂŒr die Feststellung einer mittelbaren Patentverletzung, d.h. eines Verstoßes gegen das Recht auf Verbot der mittelbaren Benutzung der Erfindung im Sinne von Art. 26 EPGÜ zu erfĂŒllen. Die Bestimmung des Ortes, an dem das schĂ€digende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia hĂ€ngt aber nicht von Kriterien ab, die in dieser Bestimmung nicht vorkommen und die fĂŒr die PrĂŒfung in der Sache spezifisch sind, wie etwa die Voraussetzungen fĂŒr die Feststellung einer mittelbaren Patentverletzung im Sinne von Art. 26 EPGÜ (siehe oben, Rn. 12)i) und 12)vii). Ein schlĂŒssiger Vortrag der Voraussetzungen von 26 EPGÜ ist fĂŒr die Stattgabe der mit der Verletzungsklage geltend gemachten AnsprĂŒche erforderlich, aber nicht entscheidend fĂŒr die BegrĂŒndung der ZustĂ€ndigkeit nach Art. 7 Abs. 2 Verordnung BrĂŒssel Ia.

  3. Zweitens haben DISH und SLING vorgetragen, dass die Media Player und Videodateien den Nutzern der AYLO-Websites u. a. in Deutschland angeboten und geliefert werden wĂŒrden und geeignet und dazu bestimmt seien, die beanspruchte Erfindung auf den Endbenutzerstationen zu benutzen. Wenn also das Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs fĂŒr die BegrĂŒndung der ZustĂ€ndigkeit relevant wĂ€re, wĂŒrden die VortrĂ€ge ausreichen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die von AYLO angebotenen und gelieferten Videodateien und Media Playern dazu bestimmt seien, die patentierte Erfindung u. a. in Deutschland zu benutzen. Ob die VortrĂ€ge von DISH und SLING auf einer korrekten Auslegung der AnsprĂŒche des Streitpatents beruhen und ob die Endbenutzerstationen das beanspruchte Verfahren tatsĂ€chlich durchfĂŒhren, wird im Rahmen der PrĂŒfung im Verfahren in der Sache zu entscheiden sein.

  4. Das Argument von AYLO, DISH und SLING hĂ€tten nicht vorgetragen, dass sich die Websites von AYLO an Nutzer in den Vertragsmitgliedstaaten richteten, ist unzulĂ€ssig. Wie DISH und SLING zu Recht hervorgehoben haben, hat AYLO dieses Argument wĂ€hrend des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz nicht vorgebracht. Da das Argument eine völlig neue Debatte eröffnet und AYLO keine Rechtfertigung fĂŒr das verspĂ€tete Vorbringen geboten hat, wird das Berufungsgericht es gemĂ€ĂŸ R. 222.2 VerfO außer Acht lassen.

  5. Das Argument geht auch in der Sache fehl. Das Argument beruht auf der Annahme, dass die BegrĂŒndung der ZustĂ€ndigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia voraussetzt, dass sich die Websites von AYLO an Nutzer in den Vertragsmitgliedstaaten richteten. Diese Annahme ist unzutreffend. Ist der Schaden angeblich ĂŒber eine Website

verursacht worden, so verlangt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia nicht, dass sich die Website an Nutzer im Hoheitsgebiet der betreffenden Mitgliedstaaten richtet (siehe oben, Rn. 12)viii).

22)

Das Berufungsgericht lehnt das Argument von AYLO ab, das Vorbringen von DISH und SLING reiche nicht aus, um die ZustĂ€ndigkeit des EPG in Bezug auf die Vertragsmitgliedstaaten außer Deutschland (die Republik Österreich, das Königreich DĂ€nemark, die Republik Finnland, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Portugiesische Republik und das Königreich Schweden) zu begrĂŒnden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung von AYLO, dass Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia eine lĂ€nderspezifische PrĂŒfung der ZustĂ€ndigkeit des EPG verlangt, richtig ist. DISH und SLING haben vorgetragen, dass das Streitpatent in jedem der in der Klageschrift aufgefĂŒhrten Vertragsmitgliedstaaten wirksam sei und dass AYLO ĂŒber ihre Websites den Nutzern in diesen Vertragsmitgliedstaaten Mittel anbiete und liefere, die sich auf ein wesentliches Element der patentierten Erfindung bezögen (die Media Player und Videodateien) und die zur Implementierung der Erfindung an den Endbenutzerstationen geeignet und bestimmt seien. Die Schlussfolgerung hinsichtlich der ZustĂ€ndigkeit des EPG muss daher fĂŒr jeden der betroffenen Vertragsmitgliedstaaten dieselbe sein.

23)

Das Argument von AYLO, die ZustĂ€ndigkeit des EPG mĂŒsse auf der Grundlage des Vorbringens in der Klageschrift bestimmt werden, kann zu keiner anderen Beurteilung fĂŒhren. Alle Tatsachen und UmstĂ€nde, auf die sich die Beurteilung des Berufungsgerichts stĂŒtzt, sind in der Klageschrift zu finden. Die Beurteilung stĂŒtzt sich nicht auf die Tatsachen und UmstĂ€nde, die DISH und SLING in ihrer Berufungserwiderung zur StĂŒtzung ihres Vorbringens vorgebracht haben, dass die Websites von AYLO an Nutzer in den Vertragsmitgliedstaaten und insbesondere an Nutzer in Deutschland gerichtet seien.

Keine Notwendigkeit, den EuGH anzurufen

24)

Es ist nicht erforderlich, die Frage nach der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 71b Abs. 1 der Verordnung BrĂŒssel Ia dem EuGH vorzulegen. In Anbetracht der oben in Randnummer 12 zitierten Rechtsprechung besteht kein vernĂŒnftiger Zweifel an der richtigen Auslegung dieser Bestimmungen (vgl. EuGH 6. Oktober 1982, C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, CILFIT, Rn. 21, und EuGH 6. Oktober 2021, C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). DarĂŒber hinaus hĂ€ngt der Ausgang der Berufung nicht von dieser Auslegung ab. Wie das Berufungsgericht bereits dargelegt hat, ist die Berufung auch auf der Grundlage der von AYLO vertretenen alternativen Auslegung von Art. 7 Abs. 2 abzuweisen, wonach die BeschrĂ€nkung des doppelten Inlandsbezugs zu berĂŒcksichtigen ist.

ZustÀndigkeit der Lokalkammer Mannheim

25)

Die Lokalkammer Mannheim hat zu Recht festgestellt, dass sie fĂŒr die Verletzungsklage gemĂ€ĂŸ Art. 33(1)(a) EPGÜ zustĂ€ndig ist.

26)

Das Gericht erster Instanz ging davon aus, dass der Ort, an dem „die tatsĂ€chliche oder drohende Verletzung erfolgt ist oder möglicherweise erfolgen wird“ im Sinne von Art. 33(1)(a) EPGÜ in gleicher Weise auszulegen ist wie der Ort, „an dem das schĂ€digende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia in Bezug auf angebliche Patentverletzungen ausgelegt wird. Das Berufungsgericht tritt dieser Auffassung

bei, da die Bestimmungen einen Àhnlichen Zweck verfolgen, nÀmlich die Bestimmung eines ZustÀndigkeitsgrundes auf der Grundlage der Verbindung zwischen dem Streitgegenstand und dem Gericht bzw. der Kammer.

27)

AYLO hat gegen die ZustĂ€ndigkeit der Mannheimer Lokalkammer die gleichen EinwĂ€nde erhoben, die sie auch in Bezug auf die internationale ZustĂ€ndigkeit des EPG vorgebracht hat. Diese EinwĂ€nde sind daher aus denselben GrĂŒnden unzulĂ€ssig und/oder unbegrĂŒndet, die oben vom Berufungsgericht in Bezug auf die internationale ZustĂ€ndigkeit des EPG angefĂŒhrt wurden.

Parallelverfahren vor einem nationalen Gericht

28)

Das Gericht erster Instanz hat das Argument von AYLO, das EPG mĂŒsse sich fĂŒr unzustĂ€ndig erklĂ€ren, weil DISH und SLING einen Tag vor Einreichung der Verletzungsklage beim EPG vor dem Landgericht MĂŒnchen ein Patentverletzungsverfahren gegen AYLO eingeleitet haben, das auf dieselben Handlungen und auf ein Patent aus derselben Familie wie das Klagepatent gestĂŒtzt ist, zu Recht abgewiesen.

29)

AYLO verweist auf Art. 30 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia, wonach sich ein Gericht fĂŒr unzustĂ€ndig erklĂ€ren kann, wenn das zuerst angerufene Gericht fĂŒr ein im Zusammenhang stehendes Verfahren zustĂ€ndig ist, das bei einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates anhĂ€ngig ist und die Verbindung der Verfahren nach seinem Recht zulĂ€ssig ist. AYLO hat jedoch nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen fĂŒr die Anwendung dieser Bestimmung erfĂŒllt sind. Und selbst wenn die Voraussetzungen erfĂŒllt sind, verpflichtet die Bestimmung das Gericht nicht, sich fĂŒr unzustĂ€ndig zu erklĂ€ren. Sie sieht vor, dass das Gericht dies tun „kann“. Die Tatsache, dass die Klagen auf dieselben Handlungen gestĂŒtzt sind und die Patente zur selben Familie gehören, reicht nicht aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass das Gericht erster Instanz die Grenzen seines diesbezĂŒglichen Ermessens ĂŒberschritten hat.

30)

Das Argument von AYLO, dass das Gericht in dieser Rechtssache seine Befugnis nach Art. 30 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia ausĂŒben mĂŒsse, weil es rechtsmissbrĂ€uchlich sei, parallele Verletzungsklagen auf der Grundlage verbundener Patente zu erheben, muss scheitern. Das Berufungsgericht kann die Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, in dieser Anordnung unentschieden lassen. Sollte ein Rechtsmissbrauch vorliegen, ist der Einwand dennoch erfolglos, weil AYLO nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen fĂŒr die Anwendung von Art. 30 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia erfĂŒllt sind. DarĂŒber hinaus gibt es andere Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch als die Anwendung von Art. 30 Abs. 2 der Verordnung BrĂŒssel Ia. So hat das Gericht erster Instanz in der beanstandeten Anordnung auf die Möglichkeit hingewiesen, die Klage fĂŒr unzulĂ€ssig zu erklĂ€ren. AYLO hat nicht dargelegt, dass die UnzulĂ€ssigkeit der Klage ein unzureichender Schutz gegen den behaupteten Missbrauch wĂ€re. Schon aus diesem Grund ist das Argument von AYLO unbegrĂŒndet. Aus denselben GrĂŒnden mĂŒssen auch AYLOs Verweise auf das Grundrecht auf ein faires Verfahren, die GrundsĂ€tze der Fairness und der VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸigkeit und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes scheitern.

Keine ungeschriebenen EinsprĂŒche

31)

Das Gericht erster Instanz ist zu Recht dem Argument von AYLO nicht gefolgt, dass Missbrauch und offensichtliche UnbegrĂŒndetheit ungeschriebene EinsprĂŒche im Sinne von R. 19 VerfO sind.

32)

R. 19 bis 21 VerfO sehen ein besonderes Verfahren zur Entscheidung ĂŒber EinsprĂŒche vor. Dieses Verfahren unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von dem allgemeinen Verfahren zur Behandlung von Erwiderungen (R. 23 ff. VerfO) und dem besonderen Verfahren zur Entscheidung ĂŒber Klagen, die offensichtlich unzulĂ€ssig sind oder offensichtlich keine rechtliche Grundlage haben (R. 361 VerfO). Zum Beispiel: Wird kein Einspruch innerhalb der Frist erhoben, so gilt dies als Anerkennung der ZustĂ€ndigkeit des Gerichts sowie der ZustĂ€ndigkeit der Kammer (R. 19.7 VerfO); ĂŒber den Einspruch entscheidet der Berichterstatter (R 20.1 VerfO) und gegen die Entscheidung oder Anordnung des Berichterstatters kann unter bestimmten Voraussetzungen Berufung eingelegt werden (R. 21 VerfO). Vor diesem Hintergrund ist die Liste der EinsprĂŒche in R. 19.1 VerfO als abschließend zu betrachten. Die Anwendung der R. 19 bis 21 VerfO kann sich daher nicht ĂŒber andere Erwiderungen wie missbrĂ€uchliches Verhalten im Verfahren und offensichtliche UnbegrĂŒndetheit erstrecken.

33)

Der begrenzte Anwendungsbereich des Einspruchsverfahrens hindert den Berichterstatter, den Vorsitzenden Richter oder den Spruchkörper jedoch nicht daran, von den Befugnissen der Verfahrensleitung Gebrauch zu machen, um Streitpunkte in einem frĂŒhen Stadium zu identifizieren, die Reihenfolge festzulegen, in der die Streitpunkte zu klĂ€ren sind, eine gesonderte Verhandlung ĂŒber einen Streitpunkt anzuberaumen und einen Anspruch zurĂŒckzuweisen, wenn eine Entscheidung ĂŒber eine Vorfrage dazu fĂŒhrt, dass eine Entscheidung ĂŒber weitere Streitpunkte fĂŒr den Ausgang des Verfahrens unerheblich ist (siehe in diesem Sinne R. 332(b) und (d) und R. 334(d), (e) und (g) VerfO). So kann der Berichterstatter, der Vorsitzende Richter oder der Spruchkörper beschließen, eine bestimmte Erwiderung, wie z. B. missbrĂ€uchliches Verhalten im Verfahren oder offensichtliche UnbegrĂŒndetheit, in einem frĂŒhen Stadium des Verfahrens zu behandeln.

34)

AYLO hat nicht geltend gemacht, dass die Entscheidung des Berichterstatters ĂŒber die Erwiderungen des missbrĂ€uchlichen Verhaltens und der offensichtlichen UnbegrĂŒndetheit eine verfahrensleitende Entscheidung ist. WĂ€re dies der Fall, so wĂ€re eine Berufung gegen diese Entscheidung unzulĂ€ssig. Der einzige Rechtsbehelf gegen eine verfahrensleitende Entscheidung des Berichterstatters ist ein Antrag auf ÜberprĂŒfung durch den Spruchkörper (Das Berufungsgericht 11. Januar und 21. MĂ€rz 2024, UPC_CoA_486/2023; APL_595643/2023, Netgear/Huawei).

Rechtzeitigkeit des Einspruchs

35)

Da sich das Berufungsgericht der Auffassung des Gerichts erster Instanz anschließt, dass der Einspruch abzuweisen ist, braucht ĂŒber den Einwand von DISH und SLING, der BerufungsklĂ€ger zu 2 habe den Einspruch zu spĂ€t erhoben, nicht entschieden werden.

Schlussfolgerung

36)

Nach alledem ist die Berufung als unbegrĂŒndet abzuweisen.

A NORDNUNG

Die Berufung wird abgewiesen.

Diese Anordnung wurde am 3. September 2024 erlassen.

Klaus Grabinski

PrÀsident des Berufungsgerichts

Françoise Barutel

Rechtlich qualifizierte Richterin

Peter Blok

Rechtlich qualifizierter Richter und

Berichterstatter

Eric Augarde

Technisch qualifizierter Richter

Klaus Loibner

Technisch qualifizierter Richter

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