Unified Patent Court

Hamburg - Lokalkammer

Einheitliches Patentgericht

Juridiction unifiee du brevet

UPC_CFI_54/2023

Endgültige Verfahrensanordnung

des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts

erlassen am 02. April 2024

HEADNOTES

Endgültige Anordnung einer Vertraulichkeitsanordnung und Zugangsbeschränkung nach Regel 262A. Bestimmung und Glaubhaftmachung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Zuverlässige Personen.

KEYNOTES

Regel 262A. Art. 58 EPGÜ. Art. 9 Richtlinie (EU) 2016/943. Geschäftsgeheimnisse. Endgültige Anordnung.

STREITPARTEIEN

  1. Avago Technologies International Sales Pte. Limited

Vertreten durch Florian Schmidt-Bogatzky

(Klägerin) - 1 Yishun Avenue 7 - 768923 - Singapore - SG 2. Tesla Germany GmbH

Vertreten durch Dr. Marcus Grosch

(Beklagte) - Ludwig-Prandtl-Straße 27-29 - 12526 Berlin – DE 3. Tesla Manufacturing Brandenburg SE

Vertreten durch Dr. Marcus Grosch

(Beklagte) - Tesla Str. 1 - 15537 Grünheide (Mark) - DE

STREITPATENT

Patent NummerInhaberin
EP1612910Avago Technologies International Sales Pte. Limited

ANTRAGSTELLERINNEN

  1. Tesla Manufacturing Brandenburg SE

Vertreten durch Dr. Marcus Grosch

Tesla Str. 1 - 15537 Grünheide (Mark) - DE

2) Tesla Germany GmbH

Vertreten durch Dr. Marcus Grosch

Ludwig-Prandtl-Straße 27-29 - 12526 Berlin - DE

ANORDNENDER RICHTER:

Berichterstatter (Judge-rapporteur)

GEGENSTAND DES VERFAHRENS:

Patentverletzungsklage

ANTRÄGE DER PARTEIEN:

Die Beklagten beantragen mit Schriftsatz vom 08.03.2024, die in der Duplik vom 08.03.2024 im Hauptverfahren 463258/2023 grau hinterlegten Informationen, die mit dem zu prognostizierenden Vertriebsergebnis der Beklagten in Zusammenhang stehen (sämtlich grau hinterlegt, dort insbesondere sub E.) für geheimhaltungsbedürftige Informationen zu erklären. Sie beantragen, den Zugang zu diesen insgesamt nach R. 262A.1 EPG-VerfO auf bestimmte Personen zu beschränken und jeden darüber hinausgehenden Zugriff für unzulässig zu erklären. Sie haben zusätzlich geschwärzte (redacted) Versionen dieser Dokumente eingereicht. Sie machen geltend, bei den Angaben basierend auf den Geschäftsprognosen der Beklagten für den in der Zukunft liegenden potenziellen Vollstreckungszeitraum von zwölf Monaten ab einer möglichen Unterlassungsverurteilung, handele es sich zwingend zum Kern der im Unternehmen geheimhaltungsbedürftigen Informationen. Im Übrigen wird zur Begründung der Beklagten auf die vorläufige Anordnung des Berichterstatters vom 11.03.2024 Bezug genommen.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen:

  1. Es wird angeordnet, dass es sich um bei den in der Duplik enthaltenen Informationen, die mit dem zu prognostizierenden Vertriebsergebnis der Beklagten in Zusammenhang stehen (sämtlich grau hinterlegt, dort insbesondere sub E.), um geheimhaltungsbedürftige Informationen handelt, die streng vertraulich zu behandeln sind und außerhalb des vorliegenden Rechtsstreits auch nach dessen Abschluss nicht genutzt oder offengelegt werden dürfen. Die Klägerin darf die bezeichneten Informationen nur solchen Vertretern und intern nur solchen Mitarbeitern zugänglich machen, die ein berechtigtes Interesse daran haben. Der interne Zugang ist auf höchstens drei zuverlässige Personen zu beschränken, die gegenüber dem Gericht und den Beklagten namentlich zu benennen sind.
  2. Im Falle eines Verstoßes der Klägerin gegen eine entsprechende Anordnung kann die Lokalkammer auf Antrag der Beklagten ein wiederkehrendes Zwangsgeld in Höhe von bis

zu EUR 250.000,00 für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verhängen und sofort vollstrecken.

Die Klägerin beantragt, die vorläufige Verfahrensanordnung vom 11. März 2024 mit den Zugangsbeschränkungen zeitnah aufzuheben.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagten wollten mit diesem neuerlichen Geheimnisschutzantrag das Verfahren nur verzögern.

KURZE DARSTELLUNG DES VERFAHRENSGANGS

Mit vorläufiger Anordnung des Berichterstatters vom 11.03.2024 ist der Zugang zu der vertraulichen Version der Duplik vom 08.03.2024 im Hauptverfahren 463258/2023 bis zum Erlass einer endgültigen Geheimhaltungsanordnung auf den Klägervertreter persönlich begrenzt und der Klägervertreter zur Verschwiegenheit verpflichtet worden.

Da das Case Management System allein die geschwärzten Versionen der Dokumente zur Zustellung gebracht hat, wie erst durch die Mitteilung der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 18.03.2024 offenbar wurde, sind auf Vermittlung der Kanzlei die ungeschwärzten Dokumente am 18.03.2024 von den Beklagten selbst an die Klägerseite übersandt worden. Die Klägerin hat zugleich in ihrer Stellungnahme vom 18.03.2024 auflagegemäß drei Personen benannt, die bei der … Inc. beschäftigt sind und die neben dem Klägervertreter Einsicht in die Vollversionen der Dokumente nehmen dürfen sollen.

GRÜNDE DER ANORDNUNG:

Der zulässige Antrag ist begründet.

1.

Die Anordnung beruht auf R. 262A VerfO iVm Art. 9 Abs. 1 und 2 lit a) der Richtlinie (EU) 2016/943. Nach diesen Regelungen ist vorgesehen, dass in einem gerichtlichen Verfahren auf Antrag der Zugang zu von den Parteien oder Dritten vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse oder angebliche Geschäftsgeheimnisse enthalten, ganz oder teilweise auf eine begrenzte Anzahl von Personen beschränkt werden kann. In der VerfO des EPG ist in R. 262A der Schutz vertraulicher Informationen implementiert.

a) Vorliegend ist mit der nach Maßgabe der für eine Anordnung nach R. 262A VerfO erforderlichen Gewissheit hinsichtlich der prognostizierten Vertriebsergebnisse vom Vorliegen von Geschäfts- bzw. Betriebsgeheimnissen auszugehen. Nach R. 262A.5 VerfO ist dies insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Antragsteller angeführten Gründe für die Anordnung das Interesse der anderen Partei an einem uneingeschränkten Zugang zu den betreffenden Informationen oder Beweismitteln beträchtlich überwiegen (vgl. hinsichtlich der weiteren Anforderungen die Anordnung der Lokalkammer vom 03.11.2023 - ORD_577763/2023 - in diesem Verfahren). Dass es sich bei den Angaben zu dem prognostizierenden Vertriebsergebnis um Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse der Beklagten handelt, hat auch die Klägerin zu Recht nicht in Abrede genommen. Sie basieren auf eigenen Prognoseeinschätzungen, die über die Kalkulation anhand der offiziellen Zulassungszahlen, dem von den Beklagten geforderten Durchschnittspreis des Tesla

Model Y und der veröffentlichten Umsatzrendite hinausgehen.

b) Damit war insoweit der Zugang zu den betroffenen Informationen oder Beweismitteln auf bestimmte Personen zu beschränken, R. 262A.1 VerfO. Nach R. 262A.6 VerfO darf die Zahl der in Bezug genommenen Personen nicht größer sein als für die Einhaltung des Rechts der Verfahrensparteien auf einen wirksamen Rechtsbehelf und eine faires Verfahren erforderlich und muss mindestens eine natürliche Person jeder Partei sowie die jeweiligen Anwälte oder Vertreter dieser Verfahrensparteien umfassen.

aa) Die Klägerseite hat auflagegemäß drei Personen benannt, die bei der Broadcom Inc. beschäftigt sind und die neben dem Klägervertreter Einsicht in die Vollversionen der Dokumente nehmen dürfen sollen. Es handelt sich um dieselben Personen, die bereits zuvor im Vorgang 577763/2023 benannt worden sind. In der Person liegende Hinderungsgründe haben die Beklagten nicht vorgebracht.

bb) Dass diese Personen nicht bei der Klägerin selbst beschäftigt sind, ist unschädlich. Insoweit sei auf die Ausführungen der Lokalkammer in der Anordnung vom 03.11.2023 (ORD_577763/2023) zu verweisen.

2.

Die Anordnung ist nicht nach R. 220.1 VerfO per se berufungsfähig. Eine Berufung ist daher grundsätzlich nur zusammen mit einer Berufung gegen die Endentscheidung möglich. Eine Zulassung der Berufung nach R. 220.3 VerfO hat bislang keine Partei beantragt. Eine Zulassung der Berufung von Amts wegen erscheint nicht geboten.

ENDGÜLTIGE ANORDNUNG:

  1. Es wird angeordnet, dass es sich bei den in der Duplik vom 08.03.2024 im Hauptverfahren 463258/2023 enthaltenen Informationen, die mit dem zu prognostizierenden Vertriebsergebnis der Beklagten in Zusammenhang stehen (sämtlich grau hinterlegt, dort insbesondere sub E.), um geheimhaltungsbedürftige Informationen handelt, die streng vertraulich zu behandeln sind und außerhalb des vorliegenden Rechtsstreits auch nach dessen Abschluss nicht genutzt oder offengelegt werden dürfen.
  2. Die Klägerin darf die bezeichneten Informationen nur solchen Vertretern und intern nur solchen Mitarbeitern zugänglich machen, die ein berechtigtes Interesse daran haben. Der Zugang ist auf die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie auf folgende Personen begrenzt:
  3. … ; Director and Managing IP Counsel, … Inc.
  4. … , Master Engineer, … Inc.
  5. … , Senior IP Counsel, … Inc.

Ein darüber hinausgehender Zugriff auf die bezeichneten Informationen ist unzulässig. 3. Diese endgültige Anordnung ersetzt für die Zukunft die vorläufige Anordnung vom 11.03.2024.

DETAILS DER ANORDNUNG:

Anordnung Nr. 12880/2024 im Verfahren ACT_463258/2023

UPC Nummer: UPC_CFI_54/2023

Art des Vorgangs: Verletzungsklage

Nr. des dazugehörigen Verfahrens: 12793/2023

Art des Antrags: APPLICATION_ROP262A

Erlassen in Hamburg am 02. April 2024

Rechtlich qualifizierter Richter Dr. Schilling

  • Berichterstatter -