Unified Patent Court

UPC Court of Appeal

Einheitliches Patentgericht

UPC_CoA_486/2023

Juridiction unifiee du brevet

App_595643/2023

Anordnung

des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 11. Januar 2024 betreffend den Antrag auf Ermessensüberprüfung

LEITSATZ:

ZUR ZULÄSSIGKEIT EINES ANTRAGS AUF ERMESSENSÜBERPRÜFUNG EINER ANORDNUNG DES BERICHTERSTATTERS, MIT DEM DIESER EINEN ANTRAG NACH REGEL 333.1 VERFO AUF ÜBERPRÜFUNG SEINER ENTSCHEIDUNG NACH REGEL 20.2 VERFO DURCH DEN SPRUCHKÖRPER ABGELEHNT HAT.

SCHLAGWÖRTER:

ERMESSENSÜBERPRÜFUNG, ÜBERPRÜFUNG NACH REGEL 333 VERFO.

ANTRAGSTELLERINNEN / BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ:

Netgear Inc.

Netgear Deutschland GmbH

Netgear International Limited

Vertreten durch: Dr. Stephan Dorn, Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte, Düsseldorf

ANTRAGSGEGNERIN/KLÄGERIN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ:

Huawei Technologies Co. Ltd

Vertreten durch: Dr. Tobias J. Hessel, Clifford Chance, Düsseldorf

SPRACHE DES VERFAHRENS:

Deutsch

ENTSCHEIDENDER RICHTER:

Diese Anordnung wurde von der ständigen Richterin Frau Rian Kalden erlassen.

ANGEFOCHTENE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

  • Datum: 11. Dezember 2023
  • Anordnung Nr. 588901/2023 in UPC_CFI_9/2023 der Lokalkammer München (Berichterstatter: Richter Dr. Matthias Zigann)

PATENT

EP 3 611 989

GEGENSTAND DER RECHTSSACHE:

Zulässigkeit der Ermessensüberprüfung hinsichtlich der Anordnung des Berichterstatters, mit dem ein Antrag auf Überprüfung gemäß Regel 333.1 VerfO zurückgewiesen wurde.

TATBESTAND

  1. Im Hauptverfahren des Gerichts Erster Instanz legten die Antragstellerinnen am 7. September 2023 einen Einspruch nach Regel 19 der Verfahrensordnung ein. Am 30. Oktober 2023 teilte der Berichterstatter den Parteien mit, dass der Einspruch im Hauptverfahren behandelt werde.
  2. Am 14. November 2023 beantragten die Antragstellerinnen nach Regel 333.1 VerfO (App_586381/2023), die Entscheidung vom 30. Oktober 2023 durch den Spruchkörper überprüfen zu lassen. Der Berichterstatter wies diesen Antrag mit Anordnung vom 11. Dezember 2023 als unzulässig zurück. In dieser Anordnung vertrat der Berichterstatter auch die Auffassung, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss nicht zulässig sei.
  3. Mit ihrem Antrag auf Ermessensüberprüfung nach Regel 220.3 VerfO beantragen die Antragstellerinnen:

die Entscheidung des Berichterstatters, die Berufung gegen die Anordnung des Berichterstatters vom 11. Dezember 2023 nicht zuzulassen, zu überprüfen (Regel 220.3 VerfO); 4. die Berufung zuzulassen (220.4 VerfO); 5. die prozessuale Anordnung des Berichterstatters vom 30. Oktober 2023 (ORD_575956/2023) zu überprüfen, wonach der Einspruch der Beklagten (App_570172/2023) im Hauptverfahren zu behandeln ist, und anzuordnen, dass über den Einspruch der Beklagten nach Regel 19 VerfO in Übereinstimmung mit Regel 21.1 VerfO unverzüglich zu entscheiden ist; 6. über den Einspruch unmittelbar zu entscheiden und den vorläufigen Einspruch zuzulassen.

Der Antragsgegnerin wurde Gelegenheit gegeben, sich zu äußern, was sie am 4. Januar 2023 getan hat. Sie hält den Antrag auf Ermessensüberprüfung für unzulässig.

ZULÄSSIGKEIT DES ANTRAGS AUF ERMESSENSÜBERPRÜFUNG

  1. Gemäß Regel 333.1 VerfO werden verfahrensleitende Entscheidungen oder Anordnungen des Berichterstatters oder des Vorsitzenden Richters auf begründeten Antrag einer Partei vom Spruchkörper überprüft. Regel 333.4 VerfO sieht vor, dass der Spruchkörper so bald wie möglich über den Überprüfungsantrag entscheidet.
  2. Sofern nichts anderes bestimmt ist, kann eine verfahrensleitende Entscheidung oder Anordnung des Berichterstatters oder des Vorsitzenden Richters grundsätzlich nur angefochten werden, wenn diese Entscheidung oder Anordnung zuvor von dem Spruchkörper gemäß Regel 333.1 VerfO überprüft wurde. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Antrag auf Ermessensüberprüfung beim Berufungsgericht nach Regel.

220.3 VerfO

nur dann statthaft ist, wenn die Zulassung der Berufung gegen eine Anordnung eines Spruchkörpers abgelehnt wird. Daher muss in einer solchen Situation zunächst ein Antrag nach Regel 333.1 VerfO gestellt werden, um eine Entscheidung des Spruchkörpers herbeizuführen, gegen die dann - falls erforderlich - die Berufung nach Regel 220.2 VerfO statthaft ist, wenn der Spruchkörper die Berufung zulässt, oder die Gegenstand eines Antrags auf Ermessensüberprüfung nach Regel 220.3 VerfO sein kann, wenn die Berufung nicht zugelassen wird.

7.

In seiner Anordnung vom 11. Dezember 2023 lehnte es der Berichterstatter ab, seine Entscheidung vom 30. Oktober 2023 dem Spruchkörper zur Überprüfung vorzulegen. Diese Entscheidung stützte sich auf eine Auslegung von Regel 20.1, Regel 20.2 und Regel 21 VerfO, die zu dem Schluss führte, dass die “Mitteilung” nach Regel 20.2 VerfO (d.h. die Mitteilung, dass der vorläufige Einspruch im Hauptverfahren behandelt wird) a) nicht als Entscheidung oder Anordnung des Berichterstatters oder des Vorsitzenden Richters im Sinne von Regel 333.1 VerfO gilt und b) nicht angefochten werden kann, da es sich nicht um eine Entscheidung über die Zulassung oder Zurückweisung des Einspruchs im Sinne von Regel 21 VerfO handelt.

8.

Der Umstand, dass der Berichterstatter selbst über die Zulässigkeit des Antrags auf Überprüfung seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2023 durch den Spruchkörper nach Regel 333.1 VerfO entschieden hat, anstatt den Spruchkörper über die Zulässigkeit des Antrags entscheiden zu lassen, verhindert, dass ein Antrag auf Ermessensüberprüfung nach Regel 220.3 VerfO gestellt werden kann, da es keine Anordnung des Spruchkörpers gibt. Dies wäre jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die der Anordnung vom 11. Dezember 2023 zugrundeliegende Auffassung des Berichterstatters, er sei zuständig, um über die Zulässigkeit des Überprüfungsantrags nach Regel 333.1 VerfO zu entscheiden und der Überprüfungsantrag sei unzulässig, tatsächlich zuträfe.

9.

Unter diesen Umständen hält es die ständige Richterin für gerechtfertigt, dem Antrag auf Ermessensüberprüfung mit der Maßgabe stattzugeben, dass die Antragstellerinnen gegen die Anordnung vom 11. Dezember 2023 Berufung einlegen können.

10.

Die ständige Richterin stellt fest, dass sich die Berufung nicht auf die Entscheidung vom 30. Oktober 2023 erstrecken soll. Im Falle des Erfolgs der Berufung gegen die Anordnung vom 11. Dezember 2023, wäre zunächst der Spruchkörper des Gerichts erster Instanz dazu berufen, über den Antrag auf Überprüfung des Beschlusses vom 30. Oktober 2023 zu entscheiden (siehe Absatz 6).

11.

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hält die ständige Richterin den Antrag auf Ermessensüberprüfung für zulässig und lässt die Berufung gegen die Anordnung vom 11. Dezember 2023 zu.

BESCHLUSS

Die ständige Richterin lässt die Berufung der Antragstellerinnen gegen den Beschluss vom 11. Dezember 2023 zu. Die Rechtssache wird an den Präsidenten des Berufungsgerichts verwiesen, damit dieser die Berufung einem Spruchkörper zuweist.

Ausgestellt am 11. Januar 2024

NAME UND UNTERSCHRIFT

Rian Kalden, ständige Richterin

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